Ausreden
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Argumentarium – Hindernisse und Gegenargumente
Wer das Buch gelesen hat fragt sich nicht mehr, weshalb man vegan leben sollte, sondern, weshalb dies noch nicht alle Menschen tun. Wir haben deshalb hier die häufigsten einwände, Ausreden und Gegenargumente zusammengestellt.
Wenn jemand etwas will, findet er Wege dorthin, Wenn jemand etwas nicht will, findet er Ausreden.
Wer hoch motiviert ist für den Umstieg auf eine vegane Lebensweise, aber Ausreden auf einem noch etwas höheren Niveau hat, wird nicht mit dem Fleischverzicht beginnen, sondern höchstens davon reden, und das immer wieder. Wer dagegen nur relativ schwach motiviert ist, aber kaum Ausreden hat und mit dem Verzicht auf tierische Produkte beginnt, kann viel erreichen. Letzteres trifft in Beziehungen nach traditionellem Rollenverständnis auch oft auf männliche Partner zu, die immer gegessen haben, was ihre Partnerin auftischte, und nun ist es eben plötzlich vegan. Sie sind nicht wirklich dafür, haben aber auch keine richtigen Argumente dagegen, und aus Bequemlichkeit essen sie auch weiterhin, was »sie« auftischt. Nach kurzer Zeit merken sie dann, wie gut ihnen der Umstieg tut, und können plötzlich ganz engagierte Veganer werden.
Andere dagegen, oft schon längst Vegetarier, sind mit solch einem Rucksack voll Ausreden unterwegs, um ihre Milchschokolade, ihren Käse oder was auch immer zu retten, dass sich lange nichts bewegt und sie sich in mehr oder weniger peinlichen, weil eigentlich leicht durchschaubaren Ausreden ergehen.
Insofern ist es genauso wichtig, wie für eine gute Motivation, also Motive und innere Bilder, zu sorgen, sich auch mit all den Rationalisierungen und »Gegenargumenten« zu beschäftigen und sie durchschaubar zu machen. Sie können oft noch mehr schaden, als mangelnde Motivation verhindert, einfach weil sie dazu benutzt werden, auch andere vom besseren Weg abzubringen. Es ist einfach menschlich, andere an etwas hindern zu wollen, was man selbst nicht schafft. Jeder Schlanke kennt diese Versuche von Übergewichtigen, wenn er bei gemeinsamen Mahlzeiten auf den Nachschlag verzichtet oder seine anstehende Fastenzeit erwähnt.
Da wir ein Buch zur Steigerung der Eigenverantwortung und zur Stärkung der veganen Bewegung schreiben, haben wir die häufigsten Gegenargumente zusammengetragen und sie auch entkräftet. Dazu noch ein paar Worte zu uns persönlich. Wir leben natürlich vegan auf pflanzlich-vollwertiger Basis im Sinne von Peace Food. Aber wir wollen hier auch Vegetarier ansprechen und natürlich ebenso Mischköstler zum Umstieg ermutigen. Es macht uns glücklich, Veganern Argumente an die Hand zu geben, für ihre Weltanschauung einzustehen und durch ihr positives Vorbild und ihre guten schlagkräftigen Argumente zu überzeugen.
Aber Vorsicht: Nicht alle Argumente sind für jede Situation geeignet. Mit »schlagenden« Argumenten kann man nicht nur erschlagen, sondern in falschen Momenten auch ungebührlich verletzen. Gemeinschaftliche Essen wie zu goldenen Hochzeiten sind beispielsweise keine ideale Missionsplattform, auch wenn die Gelegenheit wegen der großen Gästeschar noch so günstig erscheint. Und eine Mutter, deren Kind gerade einen Unfall hatte, braucht keine Ernährungsvorträge, sondern darüber hinausgehend Rat und Tat. Nicht alles lässt sich mit Ernährung lösen, und Erleuchtung lässt sich nicht allein über den Verdauungstrakt erlangen.
Wenn wir uns einfühlen, unsere Aggressionsenergie erlösen und in Mut und Engagement wandeln – wundervoll!
Rund um die menschliche Gesundheit
»Mein Arzt hat mir vegan verboten.«
Hier gilt der Spruch vom Anfang des Kapitels: Wenn jemand etwas nicht will, findet er Ausreden. Da haben dann beide etwas davon, der Mediziner hat weiter den Patienten und der Patient das Nachsehen. Aber bevor das ins Projizieren führt, ist es immer gut, sich klar zu machen: Jeder sucht sich immer den Arzt, den er verdient. Wer sich entwickeln will, muss deshalb manchmal den Mediziner wechseln, um schließlich einen Arzt zu finden, der sich fortbildet und auf dem letzten Stand der Wissenschaft ist. Der ist dann sogar unbedingt für vegan.
Grundsätzlich ist jeder nach Abschluss des Medizinstudiums Mediziner. Die meisten bleiben das auch und folgen der vom System vorgegebenen breiten Spur, die direkt in die Arme der Pharmaindustrie und zu ihren Armeen von Antimitteln führt – von Antibiotika über Antihypertonika und Antihistaminika bis zu Antidepressiva und Antiepileptika und noch einem ganzen Arsenal von Antimitteln, Säurehemmern und Betablockern. Diese Mittel haben eine Doppelfunktion, sie schwächen den Organismus und machen ihn so auf Dauer abhängig und die Patienten gefügig, denn in ihrer zunehmenden Schwäche spüren sie gleichsam die Notwendigkeit der Antimittel. Die Gefahr besteht dann für den Mediziner darin, sich mit der Zeit dem Weg des geringsten Widerstandes ergebend, zum Medizyniker zu verkommen.
Es gäbe aber auch die Chance, statt dem breiten bequemen Trampelpfad zum Verschreiber zu folgen – schon das Wort könnte eigentlich ehrlich machen –, eigene Wege zu gehen und wach zu bleiben. Wenn sich andere verschreiben, ist das ein Problem, wenn Mediziner es tun, angeblich nicht, oft aber eben doch und manchmal erst recht. Der Weg zum Beruf des Arztes ist ein schmaler und erfordert ständige Fortbildung und auch Selbstprüfung und sogar -entwicklung. Aber natürlich gibt es Ärzte, die sich selbst und ihren Patienten zuliebe diese Kriterien erfüllen. Letztlich liegt die Messlatte für sie hoch. Eigentlich ist der Arzt genau wie der Priester aufgefordert, sich selbst möglichst rasch überflüssig und den Patienten gesund zu machen. Das geht in vielen Fällen sehr einfach durch die entsprechenden Anweisungen im Sinne des Hippokrates, der schon gesagt haben soll: »Eure Nahrung sei eure Medizin, eure Medizin eure Nahrung.«
Nur – dafür braucht es weder Mediziner noch Pharmakonzerne, dafür bräuchte es Ärzte. Insofern ist die notwendige Haltung eines Arztes eine sehr selbstlose. Auch ein Priester sollte dafür sorgen, dass Suchende das »Himmelreich Gottes« in sich selbst finden, natürlich brauchen sie dann weder Kirche noch Priester. Die ganze Schöpfung wird ihnen zum Garten Gottes, und sie selbst werden zu Verwirklichten. Insofern ist Selbstverwirklichung für viele Pfarrer ein ähnliches Schreckgespenst wie Gesundheit für Mediziner. Die Cleveren unter Letzteren sagen dann auch, ein gesunder Mensch sei nur nicht gründlich genug untersucht.
Tatsächlich lernen Mediziner immer noch sehr wenig über Ernährung. Wie schon gesagt wurde, ist das letztlich aber sogar gut, denn fast alles, was man darüber lernte, muss heute nachweislich als falsch gelten. Mediziner, die immer noch Tierprotein in welcher Form auch immer empfehlen, etwa als Milch(produkte) zur Kalziumzufuhr, sind nicht auf dem letzten Stand der Wissenschaft. Das ist noch kein Vergehen, aber es wirkt sich beim Patienten doch als Körperverletzung aus. Denn Milch(produkte) führen wie gesagt erst zu der Osteoporose, die sie angeblich verhindern sollen. In Ländern ohne Konsum von Milch(produkten) ist Osteoporose praktisch unbekannt. Kinderärzte, die heute noch zu Kuhmilch raten, erhalten sich die Arbeit und ihren kleinen Patienten die Option auf Typ-1-Diabetes, den noch gefährlicheren von den beiden Diabetestypen. Wer Peace Food oder die China Study – oder nun auch dieses Buch – gelesen hat, findet eine Fülle von Studien und Hinweisen auf die Gefährlichkeit allen Tierproteins. Aber bei Weitem nicht alle Mediziner haben Texte wie diese gelesen, nicht einmal ein Bruchteil, auch wenn es im Rahmen außeruniversitärer Ausbildungsgänge wie dem zur »Integralen Medizin« immer mehr werden.i
Letztlich ist es ganz einfach: Ein Mediziner, der heute noch zu Tierprotein rät oder von ausgewogener pflanzlich-vollwertiger Kost abrät, hat sich nicht informiert und fortgebildet und ist von daher nicht empfehlenswert, sondern man sollte sich schnellstens einen neuen Arzt suchen. §§Selbst während des Quartals ist das möglich, wenn man seine Versichertenkarte schon in Anspruch genommen hat. Denn man hat immer das Recht auf eine Zweitmeinung beziehungsweise darauf, den Arzt zu wechseln.
Wie lässt sich nun erkennen, ob man seinen Arzt gefunden hat? Er wird einen in seinen Anliegen ernst nehmen und sie unterstützen oder aber sie mit Wissen und relevanten, das heißt mindestens signifikanten Studien widerlegen, aber sicher nicht Vorurteile verbreiten.
Informationen über den Arzt und seine Nebengeschäfte können helfen. Wenn Mediziner selbst eine Herstellung von Eiweißpulver, Vitaminen oder Ölen betreiben, ist das nicht verboten, aber man könnte immerhin aufhorchen und diesen Produkten gegenüber kritisch werden, vor allem wenn sie dann noch mit so leicht zu beeinflussenden Methoden wie Kinesiologie oder Elektroakupunktur »gemessen« und empfohlen werden. (Hier möchten wir keine Methode grundsätzlich als falsch hervorheben. Jede Methode benötigt jedoch eine gute Ausbildung und viel Erfahrung, um sie korrekt anzuwenden, und birgt auch die Gefahr der (unbewussten) Beeinflussung des Ergebnisses, wenn wirtschaftliche Interessen auf dem Spiel stehen.) Zu gern würden wir dann auch mal erleben, dass die eigenen Produkte nicht anschlagen. Das aber kommt erschreckend selten vor. Dahinter muss noch gar kein bewusster Betrug stecken, sondern ähnlich wie oft auch bei sogenannten Medien fällt jemand auf sein eigenes Ego und dessen verzinkte Spiele herein.
Lassen Sie sich also nicht verunsichern, wenn ein Mediziner Ihnen von der gesunden veganen Ernährung abrät. Im Studium hat er wenig und praktisch kaum heute noch Gültiges zur Ernährung und gar nichts zu deren veganer Variante gelernt. Schwerer wiegt aber noch, dass Mediziner heute praktisch von den chronischen Krankheitsbildern ihrer Patienten leben, die vielfach mit pflanzlich-vollwertiger Kost heilbar oder jedenfalls deutlich zu bessern wären. Und trotzdem gibt es Ärzte, die diesen Schritt schaffen, sie gilt es zu suchen. Letztlich ist jeder für seine Gesundheit allein verantwortlich. Wenn Sie dabei Unterstützung eines gut informierten Arztes finden – Gratulation! Aber selbst er wird nie die Verantwortung für Ihre Gesundheit übernehmen können.
»Eskimos könnten ohne Fleisch nicht überleben!«
Schön, wenn Sie als Inuit in der Arktis diesen Text lesen. Falls Sie jedoch hier in Zentraleuropa sitzen, erscheint dieses Argument buchstäblich weit hergeholt.
Ohne Fleisch konnten die Inuit früher sicher nicht überleben, aber wer will heute schon so leben wie sie? Inuit verspeisten ihr Fleisch ganz anders als wir, und auch als wir es könnten. Sie reißen eine frisch erlegte Robbe auf und nehmen deren Mageninhalt zu sich, um an Vitamine zu kommen. Was im Übrigen Gerüche auslöst, die eigentlich unbeschreiblich sind. Sie trinken das frische Blut und essen die rohen Innereien, was modernen Menschen unserer Gesellschaften schlicht unappetitlich sein dürfte. Das Muskelfleisch, auf das bei uns viele noch so stehen, interessiert sie erst an dritter Stelle. Dabei aber sind die Inuit aus gesundheitlicher Sicht eine unglaublich miserable Gesellschaft mit einer ausgesprochen geringen Lebenserwartung und der nachweislich höchsten Selbstmordrate aller bekannten Bevölkerungen.ii Sie als Argument für Fleischkonsum anzuführen spricht eigentlich nur von Unkenntnis (ihrer wirklichen Situation).
»Jeder Mensch braucht das Eiweiß und alle anderen Nährstoffe von Fleisch, um (gut) zu überleben.«
Dieser schon x-mal widerlegte Gedanke taucht immer wieder auf und zeigt, wie hartnäckig der Widerstand bei einzelnen Konsumenten und der sie beliefernden Industrie ist. Aus medizinischer Sicht haben wir diese Frage schon im ersten Teil unter der Überschrift »Die Proteinversorgung« beantwortet.
Doch auch der gesunde Menschenverstand zeigt, wie unhaltbar dieses Vorurteil ist: Könnte man ohne Fleisch nicht leben, gäbe es keine Vegetarier und schon gar keine Völker, die seit vielen Generationen vegetarisch leben. Ich (RP) konsumiere seit über zwanzig Jahren keinerlei tierische Produkte mehr und habe dennoch keinen Nährstoffmangel, und mir (RD) ging es über vierzig Jahre als Vegetarier schon ganz gut und seit sechs Jahren vegan noch besser.
Wir erhalten also genügend Eiweiß, Fette und Kohlenhydrate aus pflanzlichen Quellen. Medizinisch gibt es keinen Grund, Fleisch zu konsumieren.
»Besonders Sportler brauchen tierisches Eiweiß.«
Mit dem Vorurteil, tierisches Eiweiß sei hochwertiger als pflanzliches, hatten wir schon aufgeräumt, das Gegenteil ist der Fall. Der Mythos vom starken Mann, der Fleisch braucht, ist dennoch durch die Fleischpropaganda fest in den Köpfen der Konsumenten verankert. Hobbysportler konsumieren heute noch immer viel zu viel Eiweiß. Unter Spitzensportlern hat jedoch längst ein Umdenken stattgefunden: Sie gehen immer mehr dazu über, sich hauptsächlich oder ausschließlich pflanzlich zu ernähren.
Eiweiß ist zwar tatsächlich notwendig, um Muskelmasse aufzubauen, doch konsumieren fast alle schon ohne sportliche Aktivitäten viel zu viel Eiweiß. Eine regelrechte Eiweißmast belastet den Körper, ohne dass er dadurch schneller Muskeln ansetzen könnte – dazu ist Training nötig.
Bezüglich der Sportlernahrung gibt es viele berühmte Gegenbeispiele, so war Carl Lewis der vielfache US-Goldmedaillengewinner in der Leichtathletik, der noch den 100-, den 200-Meter-Lauf, den Weitsprung und die 100-Meter-Staffel gewann, Vegetarier. Der deutsche Arzt und Bodybuilder Dr. Alexander Dargatz gewinnt als Veganer entsprechende Wettbewerbe.iii Diplompsychologe Patrick Baboumian gewann mehrfach den Wettbewerb »Stärkster Mann der Welt« und wurde bekannt mit diesem Spruch: »Die stärksten Tiere dieser Welt essen Pflanzen: Elefanten, Büffel, Gorillas und ich.«
»Vielen Menschen geht es mit vegetarischer Ernährung nicht gut; sie sind oft abgemagert oder krank wegen des schwachen Immunsystems.«
Immer mehr Menschen wechseln heute aus gesundheitlichen Gründen zur vegetarischen Kost, weil sie durch die fleischreiche Ernährung krank geworden sind. Die gesundheitlichen Schäden lassen sich dann nicht immer sofort ausheilen. Und insbesondere wenn Fleischesser wegen ihrer Sorge um genügend Eiweiß viel Milch(produkte) zu sich nehmen, kommen sie oft vom Regen in die Traufe. In vieler Hinsicht und insbesondere fürs Immunsystem sind Milch und die daraus hergestellten Produkte heute noch deutlich gefährlicher als Fleisch. Denn sie fördern – wissenschaftlich gut belegt – Allergien, enthalten den krebsfördernden Faktor IGF1 und schwächen den Darm bis zum Leaky-Gut-Syndrom, dem löchrigen Darm.
Der Umstieg auf vegan ist zwar ein großer Schritt zu einer gesunden Ernährungsweise, kann aber auch falsch umgesetzt werden, denn Alkohol und Zucker sind zwar vegan, aber nicht gesund. Es braucht also schon eine pflanzlich-vollwertige Kost im Sinne von Peace Food. Mit dieser aber ist Gesundung einschließlich des Immunsystems angesagt, wie unzählige Zuschriften und Reaktionen auf Peace Food belegen. Eine große Zahl von Studien zeigt, dass Veganer die gesünderen und abwehrstärkeren Menschen sind. In Gestalt der vegan lebenden Adventisten – zu denen zwei große Studien existieren – sind sie nicht nur die gesündeste, sondern auch langlebigste Bevölkerungsgruppe auf der Welt.
Sie sind in aller Regel nicht abgemagert, sondern nur nicht so fett wie die Durchschnittsbevölkerung – zum Glück. Ausgewogene pflanzlich-vollwertige Ernährung stellt tatsächlich den Königsweg zum persönlichen Idealgewicht dar. Und wenn man die mit dieser Kost zunehmende Bewegungslust bedenkt, auch zur Idealfigur.
Mensch–Tier–Pflanze: Wo sind die Unterschiede?
»Die Menschen müssen zuerst kommen!«
Gerade weil wir uns schon viel für Menschen eingesetzt haben, etwa als Leiter einer Amnesty-International-Gruppe zur Unterstützung politischer Gefangener, in der Arbeit mit Ausländern, im Einsatz für Kranke und für ein gerechteres, sozialeres Wirtschaftssystem, fällt uns auf, wie dieses Argument vor allem von Leuten kommt, die auch für Menschen nichts tun. Für Tiere nichts tun zu wollen, um davon abzulenken, dass man sich auch für Menschen nicht einsetzt, ist eigentlich nur peinlich. Und Gegenfragen wie »Was tun denn Sie für Menschen?« oder noch direkter »Welches Engagement für leidende Menschen nimmt Ihnen denn alle Zeit, für andere Themen aktiv zu werden?« machen die Peinlichkeit meist sehr rasch deutlich. Das bestätigt die Erfahrung des wohl ausgewiesensten Tierrechtsexperten Peter Singer. Er sagte, wenn man sich diejenigen Menschen näher ansehe, die auf der größeren Wichtigkeit der menschlichen Probleme beharrten, so stelle man fest, dass diese Argumentation offenkundig nur als Ausrede und Entschuldigung dafür herhalten müsse, weder für Menschen noch für Tiere etwas zu tun.
Und den wenigen, die wirklich viel für andere Menschen tun und davon dann oft schon ziemlich erschöpft und nicht selten ausgebrannt sind, wäre aus ärztlicher Sicht zu raten, nicht nur an andere zu denken, sondern auch etwas für sich zu tun. Der mithungernde Entwicklungshelfer nützt niemandem wirklich, ebenso wenig wie die mitkrampfende Hebamme der Gebärenden. Und hier wäre wieder am besten, weil nachhaltigsten, die Ernährungsumstellung auf pflanzlich-vollwertige Kost, was wiederum beiden, den Helfern und ihren Schützlingen, zugutekommt.
Und trotz seiner offensichtlichen Unlogik und Problematik wollen wir dieses häufigste Argument noch weiter widerlegen und können sowohl als Arzt wie auch Umweltschützer und Tierfreund sagen: Es lässt sich mit keiner uns bekannten Aktivität mehr für Menschen tun als mit der Ernährungsumstellung auf pflanzlich-vollwertige Kost. Die gesundheitlichen Vorteile biologisch veganer Nahrung sind mit keiner anderen uns bekannten medizinischen Maßnahme erreichbar, weder mit Fasten noch mit verbundenem Atem, von anderen naturheilkundlichen oder schulmedizinischen Maßnahmen ganz zu schweigen. Ob es an der generellen Entsäuerung oder an anderen noch gar nicht ganz erforschten Zusammenhängen liegt, es gibt nichts, was im Hinblick auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Rheuma, Fettsucht, Diabetes oder andere Geißeln der modernen Menschheit pflanzlich-vollwertiger Kost das Wasser reichen kann.
Die Umstellung auf vegane Kost wird von vielen im Wesentlichen auf gesundheitliche Gründe zurückgeführt. Diese Einstellung wird von all jenen Wissenschaftlern bestätigt, die sich wirklich mit Ernährung beschäftigt haben, wie Prof. Colin Campbell, Dr. Neal Barnard, Dr. Caldwell Esselstyn, Dr. John McDougal, Dr. Dean Ornish oder Prof. Claus Leitzmann.
Und es gibt auch nichts, was die humanitäre Hungerkatastrophe auf diesem Planeten wirksamer beheben könnte. Wenn die Tiere der Reichen aufhören, den Armen dieser Erde die Nahrung wegzufressen, wird es Letzteren unendlich viel besser gehen.
Und es ist ökologisch die mit Abstand wichtigste Maßnahme, wie US-Ex-Vizepräsident Al Gore – mit gutem veganem Beispiel vorangehend – sagt. Bei alldem profitieren die Menschen offensichtlich zuerst.
Das Argument, solange es auf der Welt noch so viel menschliches Leid gäbe, sei es nicht verantwortlich, seine Energie an Tierschutz zu »verschwenden«, ist aber auch insofern absurd, als nichts dagegen spricht, sich parallel zur wichtigsten Maßnahme des Menschenschutzes, nämlich der Umstellung auf pflanzlich-vollwertige Kost, auch der Probleme leidender Menschen anzunehmen. Das gilt generell: Die Ernährungsumstellung ist zwar die medizinisch mit Abstand wichtigste Maßnahme, hindert aber niemanden im Geringsten daran, sich auch noch sinnvoll zu bewegen, körperlich wie geistig, und für Entspannung zu sorgen. Es ist auch nicht so, dass man parallel zur humanitär wichtigsten Maßnahme der Umstellung auf vegan sich nicht auch noch für die Welthungerhilfe und Ärzte ohne Grenzen engagieren dürfte. Und die ökologisch wirksamste Maßnahme, nämlich wieder die Ernährungsumstellung, hindert uns doch nicht daran, uns auch noch zusätzlich und so weit schon möglich auf alternative Energien umzustellen und deren Verbreitung zu unterstützen. Mit der Energie, die wir durch die vegane Ernährung gewinnen, können wir uns auch für ein gerechteres Wirtschaften einsetzen, damit die frei gewordenen Lebensmittel auch wirklich den Bedürftigen zugutekommen. Sein Engagement so lange zurückzustellen, bis alle menschlichen Probleme gelöst seien, ist im wahrsten und doppelten Sinn des Wortes die faulste aller Ausreden.
Eine Prioritätensetzung, die nachgeordnete Werte erst nach vollkommener Verwirklichung übergeordneter Werte erlaubt, ist im Übrigen leicht nachvollziehbar ebenso unmenschlich wie unsinnig. Ein Arzt dürfte sich dann nur noch um Schwerstkranke kümmern und, bevor die nicht genesen sind, nichts für andere weniger schwer Erkrankte tun. Polizisten dürften sich nur noch um Kapitalverbrechen wie Mord kümmern und müssten alle Einbrüche ignorieren, bis alle Morde aufgeklärt sind. Sollen Lehrer sich nur noch Schwererziehbarer und Sorgenkinder annehmen, bis die wieder voll fit sind, bevor sie sich auch um normale Schüler kümmern? Wäre es wirklich unmoralisch, sich solcher »Luxusprobleme« wie Hochbegabtenförderung anzunehmen? Dürfen wir Fremden erst helfen, wenn alle Probleme in der eigenen Familie gelöst sind? Zweitwichtigstes so lange zu unterlassen, bis alles Wichtigere sich erledigt hätte, wäre das Ende aller Kultur, sagt der deutsche Philosoph Robert Spaemann.
»Tiere fressen selbst Tiere – das ist natürlich, warum sollten wir es dann nicht auch machen?«
Das konfrontiert uns wieder mit den Themen »Natur« und »Kultur«. Tiere fressen einander, zugegebenermaßen. Aber dürfen wir sie, weil sie sich gegenseitig fressen, auch essen? Natürlich herrscht in der ganzen Natur das Recht des Stärkeren, und wir sind Teil der Natur. Aber in der Natur herrscht auch das Gegenprinzip wie zum Beispiel die Sorge der Muttertiere um ihre Jungen. Auch wenn Darwin da manches übersehen hat – aber übrigens nicht, dass Tiere wie Menschen Schmerzen erleiden –, müssen wir heute zur Kenntnis nehmen, dass der sogenannte Sozialdarwinismus in eine schreckliche Sackgasse geführt hat. Sonst könnte der ältere Bruder ja auch die kleinere Schwester essen, stärker wäre er immerhin, und der Papa die ganze Bande. Dem wollen wir doch lieber nicht das Wort reden.
Also, aus der Tatsache, dass wir stärker sind als Tiere – wobei wir ja in Wirklichkeit nur raffinierter sind –, abzuleiten, es sei deswegen ganz natürlich und auch moralisch in Ordnung, Tiere zu essen, würde jeder Kultur widersprechen. Demnach hätte jeder stärkere Mensch das Recht, jeden schwächeren zu töten und umzubringen. Also, das haben wir doch eigentlich hinter uns, und Kannibalismus hat sich in der Evolution offenbar nicht bewährt, er ist im Aussterben begriffen.
Unbestreitbar gibt es also Raubtiere, die sich vor allem von Fleisch ernähren, und noch letzte Kannibalen, aber sie sind gewiss keine Rechtfertigung für den eigenen Fleischkonsum des Menschen.
Diese Argumentation hinkt auf beiden Beinen, denn hier werden ausgerechnet Tiere als Vorbilder in ethischer Hinsicht verwendet, obwohl doch sonst immer von fleischessender Seite die Überlegenheit des Menschen gegenüber den Tieren betont wird. Wo bleiben denn da die Bilder von der »Krone der Schöpfung« und dem »Ebenbild Gottes«? Hier wird plötzlich die angebliche Ähnlichkeit mit den Tieren bemüht nach dem Motto »Wir sind im Grunde auch Tiere, und Tiere fressen einander nun einmal«, nur um sich beziehungsweise seine Ernährung nicht ändern zu müssen.
Warum nehmen wir denn dann nicht die noch zahlreicheren Tierarten als Vorbild, die vegan leben? Diese werden bei solchen Argumentationen aber praktisch nie als musterhaft für menschliche Ernährung verwendet.
Ausgerechnet bezüglich Fleischessen gibt es zwischen Mensch und manchen Tieren wenig Ähnlichkeiten. Fleischfressende Raubtiere müssen Fleisch fressen, Menschen nicht. Wir haben die freie Entscheidungsmöglichkeit, (Raub)tiere nicht. Der Mensch kann moralisch handeln, Tiere nicht. Der österreichische Nobelpreisträger Konrad Lorenz brachte es mit folgendem Satz auf den Punkt: »Tiere können nichts, was sie nicht dürfen, aber der Mensch kann eine Menge Dinge tun, die er nicht darf.«iv Wir können Atombomben bauen, werfen und Millionen Menschen töten, aber das sollten wir nicht, wir können auch »nur« einzelne Menschen töten, aber das sollten wir auch nicht. Alle sind sich einig, Serienkiller handeln moralisch falsch und sind einzusperren, selbst wenn sie sich vor Gericht auf Tiger, die Evolution und das Recht des Stärkeren berufen sollten. Wir können auch Tiere töten (lassen) und essen, aber wir sollten es nicht, denn es schadet uns medizinisch durch die Krankheitsbilder, die es wahrscheinlicher macht, und psychologisch durch die Angst- und Stresshormone, die es uns einbringt, und weil die eigene Seele es als Unrecht erkennt.
Tiere können nicht unsere moralischen Vorbilder sein, weil Tiere nicht moralisch handeln (können). Aber wir können das und sollten es tun, es macht uns menschlich.
Wer trotz allem das Tier als Vorbild für seine Ernährung nehmen will (warum auch immer), sollte uns mal ein Tier zeigen, das Fleisch, Milch, Eier und Getreide konsumiert.
Natur oder Kultur?
Das genauso wichtige Gegenargument ist, dass nicht alles Natürliche auch automatisch richtig und empfehlenswert ist und alles Unnatürliche schlecht und zu meiden. Oft gilt das Gegenteil. »Natürlichkeit« spricht keineswegs für moralische Richtigkeit, genauso wenig wie »Künstlichkeit« für moralisches Unrecht. Alle Kunst ist künstlich und deshalb nicht unmoralisch, wie etwa Michelangelos Sixtina, jede Symphonie und alle große Kunst unschwer belegt. Auch sind Naturkatastrophen offensichtlich natürlich, und wir dürfen sie und ihre Folgen selbstverständlich bekämpfen. Schwachen und Behinderten zu helfen mag nicht natürlich, aber durchaus moralisch sein, auch wenn ihre Situation »natürlichen« Ursprungs ist. Fast alle Medizin, Pädagogik, Wissenschaft und Kunst widerlegt obigen Gedanken. Würde »Natürlichkeit« zur moralischen Richtlinie, wäre das schon das Ende aller Menschlichkeit. Es ist viel eher die Kultur, die uns zu Menschen macht, als die Natur. Von der Natur her unterscheiden wir uns nur in 2 Prozent unseres Erbgutes vom Schimpansen, kulturell offensichtlich deutlicher.
Das »Recht des Stärkeren« kann weder unser moralisch-ethisches noch rechtliches Maß sein, es verleiht uns Macht, aber niemals moralisch begründetes Recht gegenüber anderen Wesen. Wer Schwächeren rücksichtslos seinen Willen aufzwingt, der ist nicht moralisch im Recht, sondern ein rücksichtsloser Barbar. Dass Tiere weniger mächtig sind, steht außer Frage.
Doch selbst grundsätzlich muss die Unterstellung, dass in der Natur nur das Recht des Stärkeren gilt, infrage gestellt werden. Neuere psychologische Erkenntnisse zeigen klar auf, dass der Mensch nicht nur das Konkurrenzdenken, sondern durch Kooperation zu dem geworden ist, was er heute ist.v Und genau dieses Kooperationsverhalten findet man in der Natur viel häufiger, als sogenannte Darwinisten es vermuten.
»Tiere soll man nicht vermenschlichen!«
Warum eigentlich nicht? Millionen Tierhalter tun es ständig mit ihren Schoßhunden und Lieblingen. Sollte man diese Art der Tierhaltung etwa generell verbieten?
Was ist überhaupt »Vermenschlichen«? Das wäre, wenn wir für Tiere Menschenrechte forderten wie Wahlrecht oder Religionsfreiheit. Eine solche Forderung wäre nicht sinnvoll, da Tiere kein Bedürfnis nach Religion haben, nach freien Wahlen und so weiter. Tiere brauchen Tierrechte, die auf ihre echten natürlichen Bedürfnisse zielen, wie zum Beispiel dem von Schweinen, in der Erde zu wühlen und ein sauberes Schlafnest zu haben, oder dem von allen Tieren, sich in ihrer natürlichen Umwelt zu bewegen.
Da die Neurobiologie heute ganz klar feststellen konnte, dass das Schmerzempfinden bei Wirbeltieren gleich funktioniert wie beim Menschen, wäre es völlig unwissenschaftlich, zu behaupten, dass die einen Schmerzen weniger bedeutend seien als die anderen. Jedes Tier und natürlich auch der Mensch hat eigene Bedürfnisse. Es geht also bei Tierschutz nicht um »Vermenschlichen« der Tiere, sondern darum, ihre eigenen Bedürfnisse, die allerdings auf manchen Gebieten durchaus identisch mit menschlichen sind, zu sichern.
Wenn wir für Tiere fordern, sie nicht zu foltern und zu töten, hat dies nichts mit Vermenschlichung zu tun, denn diese Grundbedürfnisse teilen alle höherentwickelten Lebewesen mit zentralem Nervensystem.
»Es ist unlogisch, keine Lebewesen zu essen, denn Pflanzen sind auch Lebewesen.«
Wer die Möglichkeit hat, Leid zu minimieren, sollte es tun, selbst wenn er es nicht ganz vermeiden kann. Da für Fleischproduktion über Futtermittel viel mehr Pflanzen benötigt werden als bei einer vegetarischen oder veganen Ernährung, wäre selbst aus diesem Grund eine pflanzliche Ernährung vorzuziehen.
Dass Pflanzen genauso viel Schmerzen und Gefühle wie Tiere und Menschen haben, ist im Übrigen unwahrscheinlich nach allem, was wir heute wissen. Aber nehmen wir einmal an, es stimmte. Dann kann das doch erst recht kein Grund sein, gleich alle Gefühle und Schmerzen zu missachten? Da wäre es immer noch konsequenter, möglichst wenig Gefühle zu verletzen und Schmerzen zu verursachen – und dort zu beginnen, wo beide durch das zentrale Nervensystem offensichtlich intensiv erlebt werden? Bei Tieren und Menschen. Und folglich auf Fleisch in jeder Form zu verzichten.
Und nach unseren Erfahrungen sind es gerade Menschen, die pflanzlich-vollwertig leben, welche auch Pflanzen gegenüber den größeren Respekt zeigen von Achtung bis Dankbarkeit. Wer sich für den Erhalt von Bäumen und Grünanlagen in Städten einsetzt, ist meist auch bewusster Esser und seine Ernährung damit wesentlich pflanzenbasiert.
»Dürfen wir Pflanzen töten?«
Über diese Frage macht sich eigentlich niemand wirklich ernsthaft Gedanken, außer Fleischessern im Erklärungs- und Rationalisierungsnotstand gegenüber Pflanzenessern. Sie wollen damit wohl sagen, dass menschliche Ernährung immer aufs Töten von Lebewesen hinausläuft und es so gar nicht schlimmer ist, für die Ernährung Tiere zu töten.
Dieser Gedankengang führt aber rasch ins Absurde, denn der Unterschied zwischen dem Töten von Pflanzen ohne Gehirn und vergleichbarem Nervensystem und dem von Tieren ist viel größer als der vom Töten von Tieren zu dem von Menschen, die beide Gehirn und Nervensystem haben. Wer also das Töten von Tieren mit dem Töten von Pflanzen gleichsetzt, ist drauf und dran, Mord und Totschlag an Menschen zu rechtfertigen, wie auch Kannibalismus.
Die viel sinnvollere Frage wäre, welche Ernährungsweise am wenigsten Leid mit sich bringt. Der Vergleich zwischen Mensch und Tier in Bezug auf ihr Nervensystem ergibt identische Leidensfähigkeit. Bei Pflanzen ist wegen des Fehlens eines ähnlich komplexen Nervensystems zu vermuten, dass sie nicht annähernd so stark leiden.
Und es gibt keinen Grund, Pflanzen willkürlich zu schädigen. Außerdem ist es durchaus möglich, sich zu ernähren, ohne Tiere oder Pflanzen zu töten. In Deutschland gibt es die »Naturan Gesellschaft« (www.naturan.de), die Wissen über Lebensmittel verbreitet, die ohne zu töten gewonnen werden. Das läuft auf vegane Ernährung hinaus, die hauptsächlich auf Früchten basiert, aber auch Getreide (denn Getreidehalme sind bei der Ernte schon abgestorben, und das Korn ist – botanisch gesehen – die Frucht des Getreidehalms), Tomaten und Pilze (denn sie sind die Fruchtkörper des unter der Erde lebenden eigentlichen Pilzes, des Mycels). So wäre zum Beispiel Spaghetti mit Tomatensauce und Pilzen ein »gewaltfreies« Gericht.
Und schließlich ist immer auch zu bedenken, dass Tiere, bevor sie von Menschen gegessen werden, sich ihrerseits von Pflanzen ernährt haben. Also selbst wenn Pflanzen im selben Maße leidensfähig wären wie Menschen und Tiere, was nicht der Fall ist, immer noch mehr Leid durch das Essen von Tieren entstünde, weil zur Tierzucht viel mehr Pflanzen zusätzlich »leiden« müssten.
Interessant ist, dass man an solchen Ausreden gut erkennen kann, dass es kaum stichhaltige Argumente für Fleischkonsum gibt und sich diese Ausreden schon seit vielen Jahrzehnten kaum geändert haben: Fleischesser klammern sich an sie, da sie sonst nichts finden, was für eine Ernährung mit Fleisch sprechen würde. Der Tierrechtler und Pazifist Magnus Schwantjevii, der 1934 aus Deutschland in die Schweiz flüchtete und dort weiter für eine vegetarische Ernährung (das Wort »vegan« gab es damals noch nicht) warb, schrieb schon damals:
»Es ist also ein ganz unberechtigter Vorwurf, dass der Vegetarier nicht konsequent seine sittlichen Grundsätze befolge, wenn er nicht auch die Pflanzenvernichtung vermeide, also nicht verhungere, um kein fremdes Leben zu zerstören.
Dagegen handeln die Menschen, die das Verzehren von Tierleichen deshalb für berechtigt erklären, weil auch die Pflanze ein beseeltes und empfindendes Wesen sei, inkonsequent, wenn sie nicht auch das Menschenfleischessen für berechtigt erklären.«viii
»Pflanzen werden genauso gezüchtet und gemästet mit Kraftfutter. Aber bei Pflanzen ist das Ganze noch viel schlimmer, denn bei denen werden die Gene verändert.«
Gerade bei den speziell für Veganer hergestellten Produkten werden praktisch nie gentechnisch veränderte Pflanzen eingesetzt, da solche Produkte von ihnen als bewussten Konsumenten abgelehnt werden. Ein Sojadrink oder Tofu aus gentechnisch veränderten Sojabohnen würde sich schlicht nicht verkaufen lassen. Heute werden deshalb gentechnisch manipulierte Pflanzen fast ausschließlich in der Produktion tierischer Nahrungsmittel eingesetzt. Aus dem einfachen Grund, weil man die daraus entstandenen Produkte Fleisch, Milch und Eier nicht als GVO (gentechisch veränderte Organismen) deklarieren muss. Wer gegen Gentechnik ist, sollte deshalb erst recht keine tierischen Produkte konsumieren. Die schlimmsten Auswüchse im Pflanzenanbau bezüglich Spritzmitteln und so weiter finden sich bei den Futterpflanzen. Die Gentechnik hat im deutschsprachigen Raum ihr momentan größtes Einsatzgebiet im Bereich der Fleischproduktion, wo sie praktisch unkontrolliert im großen Stil eingesetzt wird.
»Mensch und Tier sind nicht vergleichbar, folglich auch nicht ihre Schmerzen.«
Dass Tiere und Menschen nicht wirklich miteinander vergleichbar sind, ist ein Fakt, den Tierschützer und Gegner von Tierversuchen schon deutlicher und früher als alle anderen formuliert haben. Aber bei einzelnen Aspekten unseres Seins wie etwa der Schmerzwahrnehmung ist das anders.
Im Übrigen ist obiges Argument wissenschaftlich längst widerlegt. Lassen wir hierzu nur zwei Experten zu Wort kommen, die Tiere zu wissenschaftlichen Zwecken be- und »vernutzen«:
- »Wissenschaftler stimmen überein, dass Tiere genauso Schmerzen empfinden wie wir Menschen, nur sie zeigen es anders« (Pfizer Pharma GmbH).
- »Dieses Wissen lässt uns beim Tier dem Menschen ähnliche Schmerzzustände annehmen« (Dr. M. Sager, Tierversuchsanlage der Universität Düsseldorf).ix
Ganz abgesehen von der eindeutigen wissenschaftlichen Position gibt es genug Erfahrungen, die das Argument widerlegen. Letztlich liegt ihm die Behauptung zugrunde, Tiere hätten nicht so ein feines Bewusstsein wie Menschen, deshalb könnten sie Leid und Schmerz auch nicht so stark wahrnehmen.
Alles spricht dafür, dass Tiere ein feineres Sensorium haben als Menschen, und das ist die Voraussetzung für jede Form von Wahrnehmung. Schweine werden wie gesagt zur Trüffelsuche eingesetzt, weil sie diese noch unter der Erde riechen können, was Großstadtmenschen kaum noch gelingt, wenn die Trüffeln schon vor ihrer Nase auf dem Teller liegen. Hunde werden zur Spurensuche eingesetzt, erschnüffeln Drogen und seit Neuestem in Japan sogar Krebs.x Alles Dinge, die Menschen nicht können. Ungezählt sind die Berichte von Tieren, die Katastrophen vorher ahnten, spürten oder jedenfalls wahrnahmen und rechtzeitig flohen und damit Menschen retteten, weil sie nicht nur ein feineres Sensorium haben, sondern auch noch diesen sechsten Sinn, der uns immer mehr abhandenkommt. Sprichwörtlich sind die Ratten, die das sinkende Schiff im letzten Hafen verlassen, weil sie das drohende Unheil schon Tage und Wochen vorher spüren. Erfahrene Seefahrer haben sich deswegen früher vor dem Anheuern immer erst umgeschaut, ob auch Ratten an Bord waren.
Was die Größe und Weite des Bewusstseins angeht, müssen wir für belastbare Aussagen wahrscheinlich nicht die absolute Größe des Gehirns zugrunde legen, dann würden wir den Elefanten wohl überschätzen, sondern – wie von Wissenschaftlern vorgeschlagen – die relative Größe im Verhältnis zum Körper und den Differenzierungsgrad. Aber selbst wenn wir das machen, bleiben immer noch die Delfine und Orcas und manche Wale, die ein größeres und differenzierteres Gehirn als wir haben. Was sie sich damit wohl denken mögen, wenn sie vor ihrer brutalen Hinrichtung ein Gemetzel wie das japanische in der Bucht von Taiji erleben oder das europäische auf den Färöerinseln? Dadurch sind diese beiden Orte zu einem Symbol der Schande gegenüber den Tieren geworden, aber leider wohl nur die Spitzen von Eisbergen.
Das Übertragen von tierischem Leid auf den Menschen ist demnach wissenschaftlich durchaus zulässig, aber es wird immer wieder – den jeweiligen Bedürfnissen und Absichten entsprechend – infrage gestellt.
Beim Verhältnis Mensch zu Tier feiert Irrationalität beeindruckende Triumphe: Da Tiere dem Menschen so ähnlich seien, mache es angeblich Sinn, sie für Versuche zu (be)nutzen, um an ihnen Medikamente, Kosmetika und Nahrungsmittel zu testen. Die Qualen, die die Tiere dabei zumeist leiden, werden aber mit dem Argument heruntergespielt, man könne Mensch und Tier diesbezüglich nicht vergleichen.
Da das Fleisch der Tiere und besonders der Schweine dem menschlichen so ähnlich ist und dieselben Stoffe enthält – Proteine, Mineralien, Vitamine –, gilt es als gesundes Nahrungsmittel und wird von der Industrie sogar dringend empfohlen. Aber wenn das mit seiner Produktion verbundene Leiden ins Spiel kommt, darf man Mensch und Tier plötzlich nicht mehr vergleichen.
Die Tiere empfinden wie der Mensch Freude und Schmerz, Glück und Unglück.
Charles Darwin
Tiere haben ein ähnliches Gefühlsleben wie Menschen und kennen Angst, Stress, Einsamkeit, Verzweiflung, Apathie, Lethargie und so weiter. Deshalb eignen sie sich angeblich gut für psychologische Experimente. Weil Tiere aber angeblich nicht so feinfühlig sind und nicht so fühlen können wie Menschen, darf man sie – unter Missachtung ihrer grundlegendsten Bedürfnisse – ihr kurzes Leben lang einsperren und malträtieren.
Mit solch hanebüchenen, sich ständig widersprechenden Aussagen versuchen einige, die heutige Praxis zu rechtfertigen, und es misslingt dennoch. Würden wir uns nur für eine der Positionen entscheiden – dass Tiere Gefühle haben oder eben nicht oder dass Tiere dem Menschen ähnlich sind oder eben nicht –, wäre das an ihnen begangene Unrecht großenteils unmöglich. Je nach Situation wird also das eine oder das Gegenteil behauptet, um diese Form von Tierausbeutung und -quälerei weiterhin zu rechtfertigen. Geht es darum, ob man Tieren Schmerzen zufügen darf, etwa beim Schlachten oder bei entsprechenden Versuchen, muss man damit argumentieren, Tiere empfänden Schmerzen nicht so, wie Menschen es tun. In diesem Fall, der von der Wissenschaft wie gesagt übrigens längst widerlegt ist, wären aber Tierversuche zu Schmerzmedikamenten völlig sinnlos. Da behauptet man deshalb plötzlich das Gegenteil von dem, was gerade noch für den Fleischkonsum als wahr galt.
Die Forschung ist heute so weit, dass sie sogar schon bei Fischen Schmerzen belegen kann.xi Bei Krabben ist bewiesen, dass sie nicht nur Schmerzen fühlen, sondern sich an diese sogar erinnern können,xii und bei Fischen hat man jetzt tatsächlich Gefühlsleben nachweisen können.xiii
Die Natur als Vorbild
»Der Mensch ist den Tieren überlegen; der Stärkere hat recht«
Auf diese Problematik sind wir schon eingegangen. Hier bezieht man sich explizit auf die Natur und das vermeintliche Recht des Stärkeren. Erstaunlich, denn sonst wirft man den Tierschützern meist vor, dass diese den Menschen auf die Stufe der Tiere stellen. Ja was denn nun? Steht der Mensch über den Tieren? Dann sollte er sich nicht auf pure Gewalt für seinen Fleischkonsum berufen. Steht er auf derselben Ebene: Warum hat er dann das Recht, Tiere für seinen Genuss zu töten? Es geht hier ja nicht ums Überleben, sondern um Genuss und Bequemlichkeit.
Und in welcher Form sollte der Mensch den Tieren überlegen sein?
Auf ethischer Ebene kann es offensichtlich wohl nicht sein, wenn der Mensch für sich in Anspruch nimmt, das Leben von Tieren zu zerstören, um seine Lust mit ihrem Fleisch zu befriedigen. Keine Tiergattung hat auch nur annähernd so grausame Folterwerkzeuge und -methoden gegen die eigene Art entwickelt, wie sie heute noch bei angeblich zivilisierten Völkern wie beispielsweise den US-Amerikanern in der regulären Armee üblich sind. Moralisch und ethisch ist die Überlegenheit also schwerlich zu argumentieren, wir könnten sie nur über unsere eindrucksvolle Großhirn-Entwicklung belegen, die wiederum bei Delphinen noch beeindruckender ist.
Die Leistungsfähigkeit im Vergleich zwischen Mensch und Tier spricht natürlich sehr für den Menschen. Er hat die Erde mit seinen Werken verändert wie kein anderes Wesen. Aber ob das zu seinem und zum Wohl der Erde ist, wird inzwischen von den bewussteren Exemplaren der Art doch eher bezweifelt.
Unsere ganze Kultur baut darauf auf, das »Recht des Stärkeren« überwunden zu haben. Physische Stärke gibt noch kein Recht, andere zu quälen oder zu töten. Die einzige Ausnahme, die unsere Zivilisation heute noch zugesteht, ist der Krieg. Aber auch hier wird zumindest von der Mehrheit versucht, ihn zu vermeiden. Den persönlichen Krieg mit den Schwächsten in unserer Gesellschaft, den Tieren, kann jeder selbst sofort beenden, indem er sie nicht mehr zu Nahrungsmitteln degradiert und isst.
»Der Mensch hat sich schon immer, jedenfalls seit der Steinzeit, von Tieren ernährt; das ist natürlich.«
Selbstverständlich haben Menschen in unseren Breiten in der Eis- und in der Steinzeit alles gegessen, was sie zu fassen bekamen, natürlich auch Fleisch. In der Steinzeit gab es auch schon Kriege und Vergewaltigungen. Dass etwas schon einmal oder »immer so gewesen« war, ist kein Argument, diesen Zustand aufrechtzuerhalten. Sollten wir etwa wieder Frauen lebendig verbrennen, nur weil das in den Jahrhunderten der katholischen Inquisition üblich war? Oder die Sklaverei einführen, weil die sich in kulturell und ethisch-moralisch minderbemittelten Bereichen über Jahrhunderte gehalten hat?
In der Steinzeit war Fleisch ein sehr seltenes Nahrungsmittel. In den letzten Jahrzehnten wurde es zu einer täglichen Ernährungskomponente. Die Folgen für die menschliche Gesundheit werden in den letzten Jahrzehnten immer deutlicher: Chronische Krankheiten breiten sich epidemieartig aus. Fettleibigkeit ist in den Industrienationen schon auf dem Sprung zur Norm. Die Kosten im Gesundheitswesen schnellen in die Höhe – ohne dass sich die Gesundheit der Bevölkerung in den letzten Jahren stark verbessert hätte. Es läuft heute sehr vieles schief, und es ist überfällig, den Zusammenhang mit der Ernährung dabei zu erkennen.
Übrigens wurde von den Menschen in grauer Vorzeit noch keine Kuhmilch konsumiert. Das scheinen diejenigen, die der Steinzeit eine Alibifunktion beimessen, jedoch nicht zur Kenntnis gelangt zu sein.
»Der Mensch ist nun mal biologisch gesehen kein Vegetarier.«
Biologisch ist der Mensch auch kein Autofahrer, Telefonierer, Brillenträger oder Bücherleser. Biologisch sind wir am ehesten Steinzeitmenschen, seit mindestens 30'000 Jahren körperlich als Art unverändert. Aber seit der Steinzeit hat sich doch einiges getan: Wir können heute Auto fahren, Brillen und Computer nutzen und Bücher lesen. All dies scheint keine Widersprüche oder Probleme hervorzurufen. Wer würde schon sagen: »Lies bloß kein Buch, das ist nicht biologisch!«?
In der Medizin machen wir viele unnatürliche Dinge, von denen wir sehr überzeugt sind. Wir lassen zum Beispiel Menschen nicht natürlich sterben, sondern retten mittels Operationen ihr Leben, obwohl dies offensichtlich höchst unnatürlich ist. Biologisch ist der Mensch nämlich offenkundig auch kein Operateur, der dazu eine Menge künstlicher Hilfsmittel benützt. Wir haben es hier also mit einem höchst absurden Argument zu tun, das auch in dieser Form hauptsächlich gegen pflanzliche Ernährung vorgebracht wird.
Die Betonung des Biologischen am Menschen ist schon deswegen unsinnig, weil das Wesentliche an uns gerade nicht unsere biologische Basis ist, sondern was wir daraus machen. Die gesamte menschliche Entwicklung seit der Steinzeit ist nicht wesentlich biologisch, sondern psychologisch und kulturell: Alles, worin wir uns heute vom Steinzeitmenschen unterscheiden – vom Zähneputzen bis zu den Menschenrechten –, ist nicht Folge unserer biologischen Bestimmung, sondern das Ergebnis kultureller Entwicklung.
Und ganz abgesehen von diesen Argumenten ist der Mensch im direkten Vergleich von reinen Fleischessern wie Löwen und reinen Pflanzenfressern wie Gorillas sehr viel näher bei den Pflanzen(fr)essern (siehe die Tabelle »Kennzeichen von Pflanzen- und Fleischfressern«).
Kennzeichen von Pflanzen- und Fleischfressern
Früchteesser (Frugivoren) (Mensch, Menschenaffen) |
Fleischesser (Karnivoren) (Löwe, Tiger, Wölfe …) |
|
Zähne: | Abgeflachte Backenzähne zum Zermahlen der Nahrung. | Reißzähne, stark entwickelte Eckzähne, spitze Backenzähne. |
Speichel: | Alkalischer Speichel für den Stärkeabbau; viele Speicheldrüsen zur Vorverdauung. | Saurer Speichel zur Verdauung tierischen Proteins; es fehlt das stärkeabbauende Enzym Ptyalin; wenig Speicheldrüsen. |
Kiefer: | Seitlich bewegbar zum Zermahlen der Speisen. | Nur Auf- und Abwärtsbewegung möglich, zum Reißen und Beißen. |
Magen: | Längliche Form, komplizierte Struktur; wenig Salzsäure und Pepsine. | Einfacher runder »Sack« mit zehnmal mehr Salzsäure als bei Vegetariern, um zähe Tiermuskeln, Knochen und so weiter zu verdauen. |
Darm: | Lang und verschlungen, große Oberfläche. | Kurz, glatt, damit das schnell verwesende Fleisch wieder rasch aus dem Körper gelangt. |
Leber: | Vermag nur die vom Körper selbst gebildete Harnsäure abzubauen (kaum Urikasebildung). | Viel aktiver, vermag mit zehn- bis fünfzehnmal mehr Harnsäure fertig zu werden (größere Urikasebildung). |
Vitamin C: | Tägliche Zufuhr über die Nahrung (Früchte) notwendig. | Vermag Vitamin C selbst im Körper zu bilden. |
Urin: | Alkalisch. | Sauer. |
Haut: | Millionen Poren, Schweißdrüsen. | Keine Poren, kein Schwitzen durch die Haut. |
Nägel: | Flach, keine Krallen. | Krallen. |
Gang: | Aufrecht, um Früchte von den Bäumen zu pflücken. | Waagrecht für schnelle Fortbewegung auf der Jagd. |
Vermeintliche »Probleme« der Veganer
»Außerdem ist es doch für die Vegetarier eine Qual, wenn sie ein Steak oder so sehen, nicht reinzubeißen.«
Diese Behauptung verrät vor allem das geringe Einfühlungsvermögen des Fragestellers. Die meisten Vegetarier und Veganer waren einmal Fleischesser und können sich deshalb durchaus in diese hineinversetzen. Fleischessern hingegen scheint es kaum vorstellbar zu sein, wie sehr sich alle Sinne, aber besonders der Geschmackssinn, verfeinert wie hervorragend eine gute vegetarische oder erst recht vegane Ernährung schmecken kann und wie unglaublich viel besser das Lebensgefühl dabei ist, nicht nur, aber auch wegen des Wegfalls vieler Schuldgefühle, die Fleischesser so gern ignorieren oder auf andere projizieren.
Im Gegenteil ist der Gedanke, in ein Steak zu beißen oder auch nur ein Stück Camembert in den Mund zu nehmen, für die meisten Langzeitveganer ziemlich abstoßend und jedenfalls sehr weit von jener vermuteten Verlockung entfernt, von dem Lebensgefühl nach solch einer Mahlzeit ganz zu schweigen.
»Vegetarier sind beim Essen eingeschränkt.«
Fleisch ist noch immer der Mittelpunkt der meisten Menüs, und das trotz aller wissenschaftlich belegten verheerenden Auswirkungen dieser Unsitte. »… alles andere ist Beilage«xiv: Dieses krank machende Motto wirft auch über zwanzig Jahre nach den ersten großen Studien, die seine krebsfördernde Rolle belegten, seinen Schatten.
Der Verzicht auf Grillwürste, Burger, Schnitzel und Steaks müsse doch gezwungenermaßen auch ein Verlust an Lebensqualität einhergehen! Und welcher Veganer wurde nicht auch schon gefragt: »Ja, aber was kannst du denn eigentlich noch essen?«?
Verzicht ist aber gar nicht das Thema, wir müssen nur aufhören, uns die immer noch gängigen krankmachenden Menüs ohne die Fleischportion vorzustellen. Restaurants, wo das vegetarische Menü lediglich das Fleisch weglässt, haben es einfach nicht verstanden. Es geht natürlich darum, den Fleischanteil durch andere, bessere, gesündere und kostbarere Lebensmittel zu ersetzen. Der Entschluss, vegan zu werden, eröffnet völlig neue Möglichkeiten auch in geschmacklicher Hinsicht. Außerdem verändert sich schon nach kurzer veganer Zeit auch der Geschmackssinn deutlich im Sinne von Verfeinerung und schenkt Obst und Gemüse einen ganz neuen Stellenwert. Wir können jedenfalls sagen, nach Jahren veganen und Jahrzehnten vegetarischen beziehungsweise veganen Lebens wurde es auch geschmacklich immer besser. Vegane Restaurants schießen wie Pilze aus dem Boden, Bioläden und Reformhäuser schließen sich dem neuen Trend an und bieten ein immer größer werdendes Spektrum veganer Köstlichkeiten. Das kulinarische Leben wird für die meisten bewussten Esser erst jetzt zu einer wundervollen Entdeckungsreise. Hinzu kommt ein völlig neuer Bereich veganer Kochkunst, der sich in vielen Kochbüchern und zunehmend auch Ausbildungen niederschlägt. An unserer (RD) Ausbildung zum veganen Ernährungsberater, zu dem im Anschluss Kochkurse angeboten werden, zeigen auch Haubenköche ganz neue Kochperspektiven auf.
»Fleischalternativen sind fad.«
In der Gastronomie der Restaurants und Hotels sind fleischlose Gerichte wirklich oft fad. Herkömmliche Köche haben meist keinerlei Bezug zu vegetarischer oder gar veganer Kost, denn sie haben nie gelernt, schmackhafte fleischlose Gerichte zuzubereiten. Viele missverstehen diese deshalb als eine Diät- oder Gesundheitskost. Entsprechend sparsam verwenden sie Gewürze und sogar Salz. Hinzu kommt, dass sich ihre Gewürzkunst fast ausschließlich auf den bisherigen Schwerpunkt, das Fleisch, bezieht.
Erfahrungen mit unserem veganen Zentrum TamanGa und verschiedenen veganen und vegetarischen Restaurants zeigen aber, wie gut es möglich ist, köstliche vegane Gerichte zuzubereiten. Und immer mehr innovative Restaurants beweisen, wie geschmackvoll das wachsende Bedürfnis nach veganem Essen zu befriedigen ist. In meinen (RD) Seminarhotels wie dem Pichlmayrgut in der Obersteiermark oder dem Garden in Montegrotto wird inzwischen auf hohem Niveau vegan und sogar glutenfrei gekocht. Die Fleischalternativen in Supermärkten und Reformhäusern werden immer zahlreicher.
Mit heute so vielen wissenschaftlich abgesicherten Gründen aus allen Lebensbereichen für pflanzenbasierte Ernährung braucht die konkrete Umsetzung nicht mehr am Argument »Fleisch schmeckt mir einfach besser« zu scheitern.
Viel hat hier auch die Unbeholfenheit der Vergangenheit angerichtet, und manche Fleischesser denken bei »Fleischalternativen« an fade Tofuwurst, die sie vielleicht vor Jahren einmal probiert haben. Dieser Übergangsphase widmet sich der Ratgeber Vegan für Einsteiger, mit dessen Hilfe man äußerlich durch die Verwendung von Ersatz- oder besser Austauschprodukten so weiterleben kann wie bisher, nur eben pflanzlich-vollwertig. So haben Veganer(innen) ihre widerstrebenden Partner(innen) schon vier Wochen vegan ernährt, ohne dass diese es bemerkt hätten. Als man es ihnen gesagt hatte, war es schon zu spät, denn das Essen hatte ihnen einen Monat lang gut geschmeckt …
Wenig ist allerdings mit so vielen Missverständnissen behaftet wie Tofu, der vielen immer noch als Synonym für Fleischalternativen gilt. In der traditionellen veganen taiwanesischen Küche ist er das auch, nur hat man dort gelernt, damit umzugehen. Als das bekannteste und vermutlich älteste Produkt im Bereich der Fleischalternativen wird er in China seit Jahrtausenden aus der Sojabohne in einem der Käseherstellung ähnlichen Prozess produziert. In Bezug auf Konsistenz und Biss erinnert Tofu tatsächlich mehr an Käse als an Fleisch. Und er hat – wie übrigens überraschenderweise auch Fleisch – fast keinen Eigengeschmack. Unzubereitet muss er also schrecklich fad schmecken.
Seinen Ruf als beste Fleischalternative verdankt er dem alten Missverständnis der Ernährungswissenschaften bezüglich des Eiweißbedarfs. Natürlich kümmerten sich die Wissenschaftler hierbei weder um Geschmack noch um Konsistenz, sondern nur um die Inhaltsstoffe. In dem üblichen damals noch stärkeren Eiweißwahn, wo man schon deshalb Fleisch für fast unverzichtbar hielt, kam die Sojabohne als Hülsenfrucht beziehungsweise aus ihr gemachter Tofu in der Zusammensetzung der Aminosäuren dem Fleisch am nächsten. Deshalb wurde Tofu als quasi unverzichtbare Fleischalternative für Vegetarier propagiert. Heute wissen informierte Ernährungswissenschaftler, wie viel weniger Eiweiß wir brauchen und wie überflüssig eine solche Eiweißersatzstrategie bezüglich Aminosäuren ist. Der Mythos vom Tofu ist aber in den Köpfen so fest verankert wie der Eisengehalt von Spinat, der ja auch auf einer Fehinformation beruht.
Sein neutraler Grundgeschmack sichert Tofu weite Verbreitung und vielfältige Anwendungen, ist aber auch zugleich sein größter Nachteil. Denn ungewürzt, wie man übrigens auch Fleisch nie essen würde, schmeckt er scheußlich langweilig. So verdankt er seiner unkreativen Anwendung seinen geschmacklich schlechten Ruf.
Gut zubereitet mit Sojasauce, Paprika, Gelbwurz, Kräutersalz und dergleichen mehr, wird Tofu jedoch zu einer sehr schmackhaften Alternative zu Fleisch. Geräucherter und gewürzter Tofu ist inzwischen auch fertig zu kaufen.
Allerdings hat Tofu auch deswegen einen schlechten Ruf bekommen, weil sehr viel genmanipuliertes Soja – allerdings als Futtermittel – auf dem Markt ist und sein Anbau in Südamerika den Regenwald dezimiert. Auch in gesundheitlicher Hinsicht wurde ihm einiges vorgeworfen, allerdings medizinisch zu Unrecht. Natürlich ist gekeimtes Soja besser und gesünder, aber das gilt ganz generell, da der Keimling die Fraßgifte in gesunde und sogar wesentliche Stoffe wie Vitamine umwandelt. Die geringe östrogenähnliche Wirkung ist bei Frauen, selbst mit Brustkrebs, laut mehreren soliden Studien kein Hindernis, sondern im Gegenteil hilfreich, und für Männer wird nur der Verzehr in Massen statt in Maßen problematisch.
Auch wenn Tofu buchstäblich in aller Munde ist, gibt es längst weitere Fleischalternativen. Diese orientieren sich mehr am Geschmack und an der Konsistenz als an den Inhaltsstoffen von Fleisch. Schon lange bekannt ist die Herstellung von Seitan. Seitan ist praktisch das reine Gluten aus dem Weizen.xv Seine faserige Konsistenz machte Gluten als Fleischersatz rasch beliebt, kann allerdings als reines Gluten von mir (RD) nicht empfohlen werden. Nach den im Geheimnis der Lebensenergie niedergelegten Erfahrungen leiden viel mehr Menschen als bisher angenommen an Glutenunverträglichkeit.
In letzter Zeit gibt es aber auch völlig neue Produkte. Zum Beispiel »Lopino«, das aus Süßlupinen hergestellt wird. Als Fleischersatz eignen sich aber natürlich auch diverse andere Produkte wie Gemüselaibchen, Falafel, Pilze und so weiter. Die pflanzlichen Nachahmungen schmecken mindestens genauso gut wie die fleischlichen Namensgeber. Erhältlich sind sie in vielen Online-Shops (siehe die Liste auf der Homepage zum Buch: www.veganize.org). Und eine ebenso gute Nachricht: Es geht auch ohne jeden Fleischersatz.
Ein weiterer Grund für diese verschiedenen Geschmackseinschätzungen liegt natürlich auch in der individuellen Situation begründet. Raucher zum Beispiel brauchen schon sehr deftige Geschmacksstärken, um überhaupt noch etwas zu schmecken, da ihre Geschmacksknospen je nach Ausgiebigkeit ihres Lasters meist schon ziemlich abgemeldet sind. Fleischesser brauchen auch deutliche Reize, folglich wollen sie die in der Übergangszeit zum Vegetarischen und heute meist gleich Veganen ebenfalls noch haben. Andererseits melden sich aber mit dieser Umstellung die Geschmacksknospen zurück, und die Wahrnehmung verfeinert sich wie gesagt ständig. Insofern genießen langjährige Veganer oft sehr fein abgeschmeckte Gemüsegerichte, die Mischköstlern und Umsteigern fad schmecken. Das ist ähnlich wie nach dem Fasten, wo es ganz wenig Reize braucht, um große Geschmackssensationen auszulösen und schon ein Glas Wein beschwipst machen kann. Also wäre bei solchen Einstellungen auch immer auf das jeweilige ernährungsmäßige Stadium zu achten.
»Vegetarier und Veganer sind Außenseiter.«
Der Mensch ist ein Zoon politikon, ein soziales Lebewesen. Deswegen will er eigentlich immer lieber Insider als Außenseiter sein. Von der Fleischgesellschaft ausgestoßen zu werden ist deshalb eine Drohung, die ja auch von der Fleischwirtschaft entsprechend genutzt wird und dazu führt, dass einige wenig selbstbewusste Vegetarier ihren Fleischverzicht lieber für sich behalten.
Schauen wir uns die Gruppe der fleischfrei Lebenden genauer an, finden wir von mehreren Studien erhoben, dass es sich hier um eher junge gebildete Menschen und überwiegend Frauen handelt. Etwa 80 Prozent der Veganer sollen etwa weiblich sein. Eine Umkehrung könnte lauten, heute werde man als Vegetarier oder Veganer nur noch in einer eher bildungsschwachen älteren Männergesellschaft Außenseiter sein. Und – ehrlich gesagt – wer will denn da noch dazugehören?
In der allgemeinen Gesellschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten diesbezüglich enorm viel getan. Heute finden sich in allen Schichten, in allen Positionen und insbesondere unter Prominenten sehr viele Vegetarier. Wer sich die weiter unten angeführten Beispiele prominenter Vegetarier und Veganer ansieht, wird sich kaum mehr als Außenseiter, sondern eher als Mitglied einer illustren Gesellschaft von Vorbildern erleben. Die Zeit, in der Vegetarier als weltfremde Biofreaks galten, ist längst vorbei, und die Frage unter Studenten lautet heute eher: »Bist du schon vegan oder noch Vegetarier?«
Allerdings gibt es noch genug Vorurteile gegen Vegetarier und Veganer unter diesen selbst. Dahinter steckt das Bedürfnis, nur eben ja nicht als extrem oder fanatisch zu gelten. So gibt es viel geradezu absurde Abgrenzung. Es ist ziemlich erstaunlich, wie leicht man sich in unseren modernen Gesellschaften zu extremem Egoismus bekennt und wie schwer es vielen fällt, für eine altruistische Grundhaltung einzustehen. Und natürlich gibt es tatsächlich überall Extremisten und Fanatiker, auch unter Vegetariern und Veganern.
Ein Grund für diese Situation ist sicherlich, dass das Meiden von Fleisch unter gesundheitsbewussten modernen Menschen heute schon so normal ist, dass sich die Medien auch kaum für »normale« Vegetarier interessieren. Sie beschäftigen sich lieber mit radikalen Vertretern, und so wird das Vorurteil vom weltfremden »Körnerfresser« künstlich lebendig gehalten. Wer sich mit der noch sehr verkürzten und sehr individuellen Liste prominenter Vegetarier beschäftigt, wird spüren, wie wenig zutreffend solche Vorurteile sind.
Das Vorurteil trotzdem aufrechtzuerhalten hat allerdings nicht nur Vorteile für die Fleischindustrie und ihre starke Lobby, sondern auch für die Mischköstler, die in der Abgrenzung von Außenseitern etwas mehr Schutz für ihre in vieler Hinsicht haltlose und für alle, aber vor allem für sie selbst ungesunde Position sehen. Beide profitieren von der Tendenz unter Vegetariern und Veganern, sich lieber gegenseitig zu kritisieren und einander zu meiden, als ebenfalls eine einflussreiche fleischfreie Interessenvertretung aufzubauen, die in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht Einfluss zugunsten unserer Gesundheit, der Tiere und der Umwelt nehmen könnte.
»Vegetarier und Veganer sind extrem und fanatisch.«
Wer keine Hunde und Insekten isst, würde in Europa nicht als extrem oder fanatisch bezeichnet werden, in manchen asiatischen Ländern vielleicht schon. Ist man aber extrem, wenn man auch keine Schweine isst, während eine Mehrheit dies tut? Diese Bewertungen hängen ab von der gesellschaftlich zur Zeit etablierten Norm. Die Frauen, die als Erste das Frauenwahlrecht forderten, wurden ebenfalls von der Mehrheit ihrer Zeitgenossen als extrem und fanatisch eingestuft. Abraham Lincoln und seine Anhänger galten mit ihrer Forderung nach Abschaffung der Sklaverei und Gleichberechtigung der Schwarzen im Süden der USA als extrem und fanatisch, wie auch die ersten Eisenbahnbauer und die ersten Autofahrer. Heute werden manchmal Extrembergsteiger als Fanatiker beschimpft.
Der Vorwurf des Extremismus und Fanatismus kommt also oft einfach von entwicklungsfeindlichen Menschen, die sich besseren Argumenten nicht öffnen, sondern ihre geistige Bewegungsunlust damit verteidigen. Und es ist eine Strategie von Fleischessern, sich ihres eigenen schlechten Gewissens zu erwehren.
Ist es nicht eher extrem und fanatisch, nämlich extrem widersprüchlich, sich als Tierschützer auszugeben, Mitglied des Tierschutzvereins zu sein, Pelzträgerinnen anzumachen und dann selbst Fleisch zu essen? Ist es nicht auch extrem (daneben), als Fleischesser Umweltschutz zu propagieren und einzufordern?
Als Arzt habe ich (RD) gar keine andere Wahl, als tierproteinfreie Kost zu empfehlen, bin ich doch nicht nur durch den Hippokratischen Eid gehalten, meine Patienten vor Schäden zu bewahren und ihnen Giftiges, Schädliches und damit Gefährliches zu ersparen.
Wer Fleisch meidet, ist einfach konsequent bezüglich (s)einer als richtig erkannten Einstellung. Warum soll man denn ab und zu mal ein bisschen Knollenblätterpilz essen, wenn man ihn als giftig, schädlich und gefährlich erkannt hat? Natürlich gibt es auch da eine Minimaldosierung, die nicht tödlich ist, und natürlich enthält auch Knollenblätterpilz neben den gefährlichen auch ein paar gesunde Bestandteile.
Wäre es nicht viel extremer und fanatischer, weiter Knollenblätterpilz zu essen, wenn man seine Wirkung durchschaut? Es geschieht natürlich immer noch, aber praktisch nur aus Unwissenheit. So ähnlich gilt das auch für den Konsum von Milch(produkten) und insgesamt Tierprotein. Es geschieht noch, aber vor allem aus Unwissenheit und Entwicklungsfaulheit.
Wem das nun wieder zu extrem vorkommt, dem seien die Fakten ins Gedächtnis gerufen. 92 Prozent allen Giftes nehmen wir nachweislich über Tierprotein zu uns. Der Unterschied liegt also lediglich in der rascheren Wirkung des Pilzgiftes.
Und diese (vegane) Sicht wird sich durchsetzen, wie das immer geschehen ist, wenn die wissenschaftliche Beweislage so erdrückend war. Zigaretten haben sich auch lange gehalten und tun es noch immer, aber seit die Wissenschaft ihre Rolle in Bezug auf Gefäßprobleme und Krebs offengelegt hat, sind ihre Tage gezählt. Natürlich ist die Lobby der Nahrungsmittel- und Pharmaindustrie noch viel mächtiger als die der Zigarettenindustrie. So kann es dauern. Aber letztlich ist die Fleisch- und Milchwirtschaft nicht zu halten gegen so viele eindeutige Studien aus dem Bereich Medizin und Ökologie.
»Ist es nicht fanatisch, wenn jemand nicht mal ausnahmsweise – anlässlich einer wichtigen Einladung – Fleisch isst?« Nein, das ist konsequent. Würden die so Argumentierenden als Hundeliebhaber denn auch ausnahmsweise einmal Hund essen, wenn sie in einem asiatischen Land eingeladen wären? Hier liegt eine Verwechslung von Extremismus und Konsequenz vor.
Für den Fleischkonsumenten mag diese Einstellung extrem wirken, einfach weil sie extrem weit von seiner eigenen Lebensweise entfernt ist. Aber das liegt daran, dass Letztere sehr weit von dem entfernt ist, was die Wissenschaft heute weiß.
Wer Fleisch meidet, ist also nicht extrem, sondern konsequent als gesundheitsbewusster Konsument, Humanist, Umwelt- und Tierschützer. Für ihn sind all diese Bereiche seines Engagements mehr als nur eine Freizeitbeschäftigung zur Beruhigung des eigenen schlechten Gewissens.
Irgendwann – in hoffentlich nicht allzu ferner Zeit – wird man es als viel extremer erkennen, in der Vergangenheit Massen-Tier-Zucht-Häuser und Großschlachthöfe nicht nur toleriert, sondern letztlich unterstützt und sogar noch subventioniert zu haben.
Ist es nicht viel extremer, mit seinem Geld Tierfabriken und Schlachthöfe zu finanzieren, die man eigentlich ablehnt, was man beim Fleischeinkauf jedoch verdrängt – bloß wegen einer Gaumenfreude, die man anders besser und gesünder haben könnte?
»Tierschutz«- und »Menschenschutz«-Argumente
»Wovon sollen dann die Bauern leben?«
Von den Veganern! Veganer sind sogar oft die besseren Kunden lokaler Bauern als unbewusste Fleischesser, da Erstere meist eine regionale nachhaltige Produktion fördern möchten.
Auch wenn das gegenteilige Vorurteil offenbar noch verbreitet ist: Veganer essen Nahrungsmittel! Und diese werden bekanntlich in der Regel von Bauern produziert (für die, die’s nicht zu wissen scheinen: Gemüse, Früchte, Getreide, Hülsenfrüchte, Salat …).
Ein wesentlicher Unterschied wird der sein, dass die Landwirte, statt 365 Tage im Jahr im Stall stehen zu müssen, um Tiere zu füttern und bei der Milchproduktion mindestens zweimal täglich zu melken, beim reinen Pflanzenanbau auch mal einen Tag freinehmen und öfter ausschlafen können.
Was hier jedoch noch dagegen spricht, sind die Landwirtschaftssubventionen. Die Bauernverbände Europas haben die letzten Jahrzehnte damit verbracht, möglichst viel Steuergelder für die Produzenten tierischer Nahrung abzuzweigen. Heute gehen diese Subventionen an Tierhalter in die Milliarden.
Diese bereits genannte verfehlte Landwirtschaftspolitik, die es erst ermöglicht, dass Bauern von der ineffizienten Produktion tierischer Nahrung leben können – beziehungsweise von den Steuergeldern, die sie dafür erhalten –, muss geändert werden. Ein Bauer, der gesunde pflanzliche Lebensmittel anbaut, darf nicht mehr schlechter gestellt werden als ein Fleisch- oder Milchbauer. Und Veganer helfen dabei. Sie sind nicht die Feinde der Bauern, sondern ihre Unterstützer, um die heutige umweltbelastende und tierverachtende Landwirtschaft auf eine nachhaltige Basis zu stellen, von der alle profitieren: Mensch, Tier und Umwelt.
Letztlich werden von allen Berufsständen die Bauern am meisten von dem Ernährungswandel profitieren. Im Augenblick haben US-Farmer die mit Abstand höchste Selbstmordrate aller Berufsstände, was naheliegende Gründe haben dürfte. Bauern, die heute mancherorts schon mit einem gewissen Recht als »Giftbauern« denunziert werden, können, nachdem sie den Wechsel zu einer nachhaltigen Pflanzenzucht vollzogen haben, wieder in Würde Lebensmittel produzieren, die diesen Namen auch verdienen.
»Die Tiere werden doch extra dafür gezüchtet, gegessen zu werden!«
Die Tatsache, dass Millionen Schlachttiere ohne das Bedürfnis nach Fleisch gar nicht existieren würden, gibt uns nicht das Recht, sie zu quälen.
Eine Geschichte, die ich (RD) selbst erlebt habe, mag das ein wenig illustrieren. Auf einer Reitseminarwoche waren im letzten Moment zwei Pferde ausgefallen, aber die Teilnehmer waren da. Wie durch ein Wunder besorgte der Hotelier noch rasch zwei Pferde, die gar nicht zu den anderen passten. Eine der Teilnehmerinnen verliebte sich in eines der Pferde, übernahm es und war sehr glücklich mit diesem, »ihrem« Pferd. Gegen Ende der Woche galt es, nicht nur voneinander, sondern auch von den Pferden Abschied zu nehmen. Die Frage tauchte auf, wohin die beiden Leihpferde kämen. Der nette, mir gut vertraute Hotelier sagte, sie würden zurückgebracht, und das sei ziemlich weit weg. Als ich ihn später fragte, wo diese Pferde wirklich hinkämen, erzählte er mir die wahre Geschichte. In seiner Not war er zum nächsten Großstadt-Schlachthof gefahren und hatte sich die beiden besten ausgesucht … Wir konnten es beide nicht fassen, dass solche Pferde geschlachtet würden, aber welche denn sonst? Aus jedem Schlachttier, dem wir uns zuwenden, könnte natürlich ein treuer und verlässlicher Freund werden.
Dass ein Tier nur zu dem Zweck gezüchtet wird, um es (meist schon nach wenigen Monaten) umzubringen und um seinen Körper essen zu können, ändert nichts an der Leidensfähigkeit des Tieres. Gerade diese Zucht erhöht sogar das Leiden, weil sie ausschließlich auf Maximierung des »Ertrages« (Fleisch, Milch, Eier) ausgerichtet ist. Das Tierwohl spielt dabei gar keine Rolle.
Sehr deutlich zeigt dies dieser Artikel: Die Kuh: Das künstlichste Tier der Welt.
»Biofleisch ist aber doch in Ordnung.«
Diejenigen, die sich dem veganen Trend (noch) widersetzen, leiden unter chronischem Argumentationsnotstand und wählen vielfach Bio als vermeintlichen Ausweg. Zu inflexibel, die persönliche Wende zu schaffen, flüchten sie zu angeblich gutem frischem Biofleisch. Das ist zwar ein Denkfehler und kein Ausweg aus der Krankheitsfalle, verschafft aber immerhin der Bio-Szene neuen Zulauf. Nur: Auch Bio-Kälber werden natürlich nicht zu Tode gestreichelt. Das haben wir schon ausgeführt.
Wirklich frisches Biofleisch, wie es die Inuit verzehrten, wäre tatsächlich von Vorteil gegenüber dem (ur)alten, das etwa die Fleischskandale ausgelöst hat. Nur, was ist frisches Fleisch? Es müsste vor Eintreten der Leichenstarre gegessen werden, aber wie soll das gehen? Da ist es für uns gar nicht erreichbar, während der Leichenstarre ist es bretthart, und danach ist es Aas. Aber das muss es auch sein, sonst ist es eben nicht essbar. Deshalb fragt die »gute Hausfrau«: »Ist das Rind denn auch gut abgehangen?« Damit erkundigt sie sich letztlich, ob das Fleisch schon in den Verwesungsvorgang übergegangen ist. Verwesung aber macht Fleisch zu Aas und wieder weich. Insofern fressen viele Raubtiere wirklich frisches Fleisch, dem man noch Lebenskraft nachsagen könnte, Mischköstler aber gehören biologisch gesehen zu den Aas(fr)essern. Das ist das Niveau der Hyänen, nicht der Löwen und Tiger. Letzteres schaffen lediglich die Inuit manchmal. Und sie haben wie gesagt eine extrem niedrige Lebenserwartung und die höchste weltweit bekannte Depressionsrate. Frisches Biofleisch bleibt natürlich extrem schädlich, wenn auch vielleicht ein bisschen weniger als altes Aas.
Und ist es nicht auch ein absurdes Argument, ein Tier »gut« zu behandeln, um es dann mit etwas weniger schlechtem Gewissen umbringen zu lassen? Obendrein aus gänzlich egoistischen Lustgefühlen, die sich keinen Deut um die eigene Gesundheit, die der Hungernden, der Tiere und der Umwelt kümmern?
Wir haben auch schon darauf hingewiesen, dass erstaunlich viele Menschen heute vorgeben, nur noch Biofleisch zu essen. Wenn man sich jedoch die Umsatzzahlen von Biofleisch ansieht, merkt man sofort, dass da etwas nicht stimmen kann. Offensichtlich essen die »Biofleischkonsumenten« doch noch sehr oft konventionell produziertes Fleisch. Uns sind jedenfalls kaum Fälle von Biofleischkonsumenten bekannt, die immer und überall (im Restaurant, bei Geschäftsessen und so weiter) nur Biofleisch konsumieren.
Schließlich wäre ein konsequenter Verzicht auf Fleisch wesentlich einfacher möglich, als konsequent Biofleisch zu essen, da nur die allerwenigsten Restaurants und Kantinen Letzteres anbieten, man aber schon fast überall Gerichte ohne Fleisch bekommt.
Und auch aus rein ökologischen Gründen ist Biofleisch keine Lösung: Da die Tiere in der Regel länger leben, um dieselbe Menge Fleisch zu »produzieren«, benötigen sie mehr Futtermittel und somit mehr Energie, Land, Wasser pro Kilogramm Fleisch und produzieren mehr klimaschädliche Abgase.
»Könnte man die Tiere nicht auch leidensfrei aufziehen und töten?«
Dass Fleischproduktion nicht notwendig mit Leiden verbunden sein müsste und man Tiere auch ohne Leiden aufziehen und töten könnte, ist eine rein theoretische Annahme und eine Schutzbehauptung, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun hat. Fleisch, das heute im Handel ist, stammt praktisch immer von Tieren, die in ihrem kurzen Leben und bei ihrem langen Sterben entsetzlich gelitten haben. Die entscheidende Frage lautet also: »Was macht dieses Fleisch mit uns?«, und die Antwort ist bekannt und schrecklich.
Wer seinen Fleischkonsum mit der angeblichen Möglichkeit, Tiere leidensfrei aufzuziehen und zu töten, zurechtrationalisiert und zu rechtfertigen versucht, gleicht in gewisser Hinsicht jemandem, der ständig seine Kinder schlägt und von gewaltfreier Erziehung erzählt und träumt.
Leidensfreie Aufzucht, Transporte und Schlachtungen für Milliarden von Nutztieren, die heute jährlich verarbeitet werden, sind schon deswegen nicht realisierbar, weil das nicht bezahlbar wäre. Die Idee leidensfreier »Tierproduktion« im heutigen Ausmaß ist absolut unrealistisch.
Auch bei der sogenannten biologischen Tierzucht, die natürlich tiergerechter als die Massentierhaltung ist, geht es wie gesagt nicht darum, Tiere glücklich zu machen und ihnen ein leidensfreies Leben und Sterben zu ermöglichen, sondern ausschließlich darum, Menschen möglichst natürliches, gesundes Fleisch zu liefern. Und auch das endet bekanntermaßen mit der Schlachtung, die dafür sorgt, dass alles, was die Tiere an Angst- und Stresshormonen haben, ins Blut und damit ins Fleisch gelangt. Nirgendwo gibt es gesonderte »Bio-Schlachthöfe« für »Bio-Tiere«.
Heute ist es wohl eher so, dass diese an relativ liebevolle Behandlung durch Menschen gewöhnten Tiere mehrheitlich völlig unvorbereitet der barbarischen Rücksichtslosigkeit und Brutalität der Hölle des Schlachtbetriebes ausgeliefert werden. Was sie in den letzten Stunden ihres Lebens ahnen, fühlen, riechen, hören, sehen und eben durchleiden, wird auch ihr Fleisch zu einer entsetzlichen Gefahrenquelle für Menschen machen.
Und selbst wo alternative Fleischproduzenten versuchen sollten, auch bei der Schlachtung tiergerecht vorzugehen – was immer das in diesem Zusammenhang bedeuten soll –, bleibt maschinelles Umbringen und »Bio«-Anspruch schwer zu vereinen.
Solche Überlegungen treffen auf das Billigfleisch in Geschäften und Supermärkten aber sowieso nicht zu. Hier haben die Esser die absolute Gewissheit, dass dieses Qualfleisch von Tieren stammt, die von Anfang bis Ende schwerste Torturen und Misshandlungen erlitten haben und diese Schwingungen auch weitergeben.
»Wir essen ja nur noch ganz wenig Fleisch.«
»Ich bin ja auch gegen diese ganze Tierquälerei und esse nur noch selten Fleisch.« Dann erlaube ich mir also noch ein bisschen Tierquälerei … Es gibt Dinge wie Vergewaltigung, Missbrauch und Tierquälerei, die konsequent zu unterlassen sind. Es mag sehr hart klingen, und wir freuen uns natürlich über jede Reduktion des Fleischkonsums. Allerdings liegen in den Adjektiven »wenig« und »selten« erhebliche Gefahren und Stolpersteine bis dahin, sich selbst zu belügen. Denn was ist »wenig« und was ist »selten«?
So wie der Ruf der Fleischesser sich in den letzten Jahren verschlechterte, besserte sich der von Vegetariern und Veganern. Wer heute noch stolz behauptet, viel Fleisch zu essen, kommt in der Regel aus sehr unbewussten bildungsfernen Kreisen. Praktisch alle gebildeten Menschen mit einem gewissen Anspruch an sich und das Leben behaupten inzwischen, sie würden nur noch wenig oder wenigstens selten Fleisch essen.
Die Umsatzzahlen der Fleischwirtschaft sprechen wie gesagt gegen diese wohl sehr »persönliche Wahrheit«. Ärzten ist diese Definition von »wenig« gut vertraut. Sie wird bezüglich Alkohol und Rauchen gleichermaßen verwendet, um seinen eigenen Konsum schönreden zu können, ohne grundsätzlich etwas zu ändern. Das ist meist nur eine Methode, sich selbst zu belügen und seine Entwicklungsfeindlichkeit über die Zeit zu retten.
Wie sehr sich der Ruf der Vegetarier gebessert hat, machen auch die vielen Fleischesser deutlich, die sich mit dieser Bezeichnung heute geradezu schmücken. Da wird dann umdefiniert, etwa nach dem Motto »Einmal (pro Monat oder pro Woche) ist keinmal«. Es kommt zu Wortneuschöpfungen wie »Flexitarier« für Leute, die zeitweise vegetarisch leben, oder »Pesco-Vegetarier« für solche, die nur noch Fische statt Fleisch verzehren. Die weiteren sich hier bietenden Möglichkeiten machen ehrlich: Irgendwann gibt es dann vielleicht auch Bovino-Vegetarier, die nur noch Rindersteak essen, oder Su-Vegetarier, die nur noch Schwein essen. Dabei wäre es so einfach: Vegetarier essen gar keine Tiere, zu keiner Gelegenheit, einfach nie. Die anderen machen meist sich selbst und vor allem den anderen etwas vor.
Natürlich ist es für die eigene Gesundheit und die der übrigen Erdbewohner besser, statt täglich nur noch einmal im Monat Fleisch oder nur noch ab und zu Fisch zu essen oder sich und die Welt als Flexitarier nur noch selten und sehr flexibel zu schädigen. Aber letztlich geht es hier wohl meist um Ausflüchte und Rationalisierungen eigener Inkonsequenz.
Es kommt immer darauf an, was wir im Auge haben, uns selbst und unsere körperliche und seelische Gesundheit, humanitäre, ökologische oder Tierschutzanliegen. Im Hinblick auf den Umweltschutz ist die Reduzierung des Fleischkonsums – etwa auf einmal pro Monat – schon ein enormer Fortschritt und fast so gut wie konsequente vegetarische Ernährung. Für einen selbst aber ist es immer noch ein Nachteil und führt langfristig oft dazu, wieder rückfällig zu werden. Denn man bleibt ständig im Spannungsfeld der Entscheidung: Mache ich heute eine Ausnahme? Und wenn ich dann ständig Ausnahmen mache, fühle ich mich obendrein »seelisch schlecht« und schädige mich auch dadurch körperlich.
Hinzu kommt, dass alles dafür spricht, wie rasch sich der Organismus bei Konsequenz von vier Monaten umstellt und dann Gelüste auf Tierprotein oft gar nicht mehr kennt. Wahrscheinlich hat das mit der Umstellung der Bakterien im Darm zu tun. Also machen wir uns das Leben mit Konsequenz leicht und mit Ausnahmen schwer. Das ist ja auch aus so vielen anderen Bereichen bekannt.
Und konsequent zu sein ist viel leichter, als die meisten denken. Man kann Gastgeber und Fluggesellschaften frühzeitig informieren. Wenn ein Gastgeber diese Ernährungswünsche seines Gastes ignoriert, ist das sein Problem und würde zu einer peinlichen Situation führen. Aber das ist Theorie, in aller Regel ersparen sich das beide Seiten gern.
Gerade Einladungen bieten die Gelegenheit zu zeigen, wie gut ohne Fleisch auszukommen ist, ohne allerdings bitte während des ganzen Essens die anderen zu missionieren. Dieser Schuss geht immer nach hinten los.
Wer stets wieder Ausnahmen macht, sobald er mit Fleischessern zusammenkommt, meist, um akzeptiert zu werden, wird andererseits als Vegetarier oder Veganer unglaubwürdig und schadet eher der tierproduktfreien Lebensweise. Wer glaubt und vertraut schon jemandem, der Vegetarismus predigt und Fleisch isst?
Und das Ziel wird dadurch sogar erst recht verfehlt: Wenn die Gastgeber wissen, dass man aus sozialen Gründen ab und zu eine Ausnahme macht, wäre es eine Beleidigung des Gastgebers, wenn man ausgerechnet bei ihm nicht bereit ist, eine Ausnahme zu machen. Man müsste also immer und bei allen Ausnahmen machen und würde dann wohl kaum noch fleischfrei leben …
»Haben Veganismus und Vegetarismus nicht katastrophale Folgen wie Arbeitslosigkeit?«
Würden alle schlagartig aufhören, Fleisch und Milch(produkte) zu verzehren, würde das tatsächlich in der fleisch- und milchverarbeitenden Industrie viele Arbeitsplätze kosten, aber leider ist damit »auf einen Schlag« gar nicht zu rechnen. Und jede Veränderung kennt im Übrigen Verlierer und Gewinner. Der Übergang vom Pferd zur Eisenbahn hat viele Pferdezüchter getroffen, wie zum Beispiel einschlägige Western zeigen, und alle Länder haben das überlebt und natürlich auch die Pferdezüchter. Das Auto schließlich hat diese noch härter getroffen, trotzdem sind heute spezialisierte Pferdezüchter in einer besseren Position als je zuvor, und die neuen Fortbewegungsmittel haben jeweils neue Arbeitsplätze geschaffen.
Natürlich würden in der Rüstungsindustrie Arbeitsplätze entfallen, wenn wir endlich mal Frieden wagten und es keine Kriege mehr gäbe. Sollten wir weiter Kriege fördern, um die Arbeitsplätze der Rüstungsindustrie zu erhalten, oder nicht doch besser die Beschäftigten umschulen? Irgendetwas Sinnvolles und sozial Verträgliches werden auch Metzger finden.
Wenn die Atomkraftwerke allmählich schließen, werden einige Spezialisten gezwungen, sich umzustellen. Aber zugleich werden neue Arbeitsplätze im Bereich der alternativen Energiequellen entstehen.
Außerdem ist auch hier völlige Entwarnung angesagt, denn die fleischverarbeitende Industrie hat längst begonnen, sich auf die sich rasant ändernden Marktverhältnisse einzustellen, und entwickelt schon seit Längerem Fleischalternativen.
Weitere Vorurteile und Ausreden
»Ich allein kann doch ohnehin nichts verändern.«
Diese Aussage ist eine Selbstentmächtigung, die zu den im wahrsten Sinne des Wortes (entwicklungs)faulsten Ausreden gehört. Ich brauche es ja auch gar nicht allein zu verändern, denn ich kann mich ja mit vielen anderen zusammentun und für meine Überzeugungen einsetzen und arbeiten. Dazu passt auch die schon zitierte afrikanische Weisheit: »Wenn einer träumt, ist es ein Traum. Wenn viele träumen, ist es eine neue Wirklichkeit.« Es beginnt immer mit den Einzelnen, oder es beginnt eben nicht. Und dann liegt es an so faulen Ausreden wie obiger.
Wir leben in Demokratien. Diese Staatsform kann nur funktionieren, wenn jeder Einzelne sein Stimmrecht ernst nimmt. Jeder soll für das einstehen, was er unterstützt. In Deutschland und Österreich kann man zwar nur indirekt die Politik mitbestimmen, indem man Politiker wählt, die dann stellvertretend entscheiden. Beim Fleischkonsum ist es jedoch auch dort so wie in der Schweiz: Man kann ganz direkt auf die Wirtschaft Einfluss nehmen, indem man sein Geld nur für Produkte ausgibt, deren Produzenten man fördern will.
Walther Lechlers Rat an seine (Alkoholiker-)Patienten passt hierher: »Nur du allein kannst es schaffen, aber du kannst es nicht allein schaffen.« Das will sagen, der entscheidende Impuls muss von mir kommen, und dann muss ich auch lernen, mir helfen zu lassen und sogar dankbar Hilfe anzunehmen. Und Hilfsangebote gibt es genügend. Jedes deutschsprachige Land hat eine Organisation, die Hilfe anbieten, vernetzen und durch gemeinsame Aktionen aus dem Engagement Einzelner eine ganze Bewegung und ein großes Bewusstseinsfeld machen kann (Deutschland: VEBU, Österreich: Vegane Gesellschaft Österreichs, Schweiz: Swissveg). Es kommt auf jeden Einzelnen an, immer, und viele Einzelne bilden wundervolle Gruppen, die so viel bewirken können.
Die Analogie zeigt die Absurdität dieser typischen Ausrede, mit der sich jede Feigheit, jeder Mangel an Zivilcourage, jedes Sichdrücken rechtfertigen ließe: Täglich werden so viele Menschen missbraucht, vergewaltigt und ermordet. Sollte man auch dagegen nichts unternehmen, weil man eh nichts an der Gesamtsituation ändern kann? Niemand würde wohl ernsthaft so argumentieren.
Mit solch einer Argumentation ließe sich gar nichts mehr machen, nicht nur gegen die Fleischindustrie, sondern auch gegen Wettrüsten, Kriegshetze und Krieg. Gegen all das lässt sich demonstrieren. Fleischloses Leben ist auch eine Art Demonstration. Wir signalisieren und bekennen damit, was wir für falsch und unverantwortbar halten. Und schöner noch, wir demonstrieren auch, was wir als richtig und verantwortlich erachten.
Und diese Demonstration hat im Unterschied zu anderen den immensen Vorteil, dass sie bei ausreichender Beteiligung sofort Erfolg in der Sache selbst bringt. Jeder, der sich an dieser »Demo« beteiligt, bewirkt auf der Stelle etwas mit seiner Abstimmung beim Einkauf. Dazu braucht es weder Politiker noch Beamte, wir setzen das gleich sofort um und bewirken etwas bezüglich unserer Gesundheit, derjenigen der Hungernden und der Tiere sowie der Umwelt.
Es gibt so viele Beispiele, die zeigen, dass viele Einzelne eine Wende bringen können. Was war Umweltschutz anfangs für eine Außenseitergeschichte! Und heute hat sich so vieles getan. Und auch bezüglich der veganen Entwicklung: Schauen wir doch einfach mal drei Jahre oder fünf zurück. Was haben wir nicht alles geschafft, aus welchen Gründen heraus das auch immer geschah! Jeder Umweltschützer könnte sofort einsteigen, denn der Umwelt ist es egal, wer sie rettet. Jeder Tierfreund ebenso, denn auch den Tieren ist es egal, warum sie nicht gequält und geschlachtet werden. Jeder Humanist, denn den Hungerleidenden ist es egal, warum ihr Essen nicht mehr in den Mäulern und Mägen unserer Schlachttiere verschwindet, Hauptsache, es bleibt ihnen. Und jeder Gesundheitsbewusste könnte einsteigen, denn auch für die Gesundheit ist es egal, warum sie erhalten bleibt.
Keine der großen und schlussendlich erfolgreichen Protestbewegungen hätte jemals eine Chance gehabt, wenn all die Einzelnen des Anfangs gewartet hätten, bis sie viele und der Erfolg sicher war. Mutiges konsequentes Eintreten Einzelner für Ideen, deren Zeit gekommen war, ist und war immer Voraussetzung für jede grundlegende soziale Veränderung und Entwicklung.
Und schlimmer noch: All die großen und entsetzlichen Verbrechen wurden immer nur möglich durch die vielen kleinen Mitläufer, die sich vor der persönlichen Verantwortung drückten und deren »Rechtfertigung« immer dieselbe war: »Was hätte ich denn tun sollen? An mir hat es doch gar nicht gelegen.«
Doch, hat es!
»Sollen wir das Gras selber fressen?«
Oft hört man, dass die Fleischproduktion sinnvoll sei, da man das Grasland nicht anders nutzen könne. Wie im Buch ausführlich beschrieben ist dieses Argument jedoch in mehrfacher Hinsicht falsch, was wir hier noch einmal zusammenfassen:
- Es betrifft ausschließlich die Tiere, die man auch auf die Weide lässt (Rinder). Den Hauptanteil des Fleischkonsums macht jedoch das Schweinefleisch aus.
- Der heutige Fleischkonsum lässt sich unmöglich mit den wenigen vorhandenen Weideflächen rechtfertigen, dazu wären viel mehr Weiden nötig. Die kleine Schweiz, die oft von der Fleischwirtschaft als ideales Weideland bezeichnet wird, importiert jedes Jahr rund 300000 Tonnen Stroh als Tierfutter. Insgesamt sind es rund eine Million Tonnen Futtermittel, welche die Schweiz importieren muss, um die Inlandfleisch-, Milch- und Eierproduktion aufrechtzuerhalten. Von ökologisch sinnvoller und nachhaltiger Landschaftspflege kann hier also überhaupt keine Rede sein, mal ganz abgesehen davon, dass die Importe häufig aus Ländern stammen, wo noch immer Menschen verhungern.
- Der Großteil der heutigen Weideflächen im deutschsprachigen Raum könnte auch anders genutzt werden. Nur in sehr hohen Hanglagen könnte man vermutlich kaum etwas anpflanzen, doch was haben die heutigen überzüchteten schweren Rinder auf solch empfindlichen Böden zu suchen? Überlassen wir doch wenigstens diesen kleinen Teil der Natur beziehungsweise den Steinböcken, Gämsen und anderen Wildtieren.
Die Absurdität mancher Ausreden
Wo sich viele Mischköstler mit ihrer Argumentation hin verirren, wird deutlich, wenn man einfach das Thema wechselt. Ganz deutlich wollen wir dabei klarstellen, dass es im folgenden Beispiel nicht darum geht, Kinder mit Tieren, Kinderpornos mit Fleischmahlzeiten oder Kinderpornokonsumenten mit Fleischessern zu vergleichen. Sondern es geht uns darum, die Funktionsweise absurder Argumente bloßzustellen. Wenn wir davon ausgehen, wie schädlich sich Tierprotein auf Körper, Seele und Geist auswirkt, ist es besonders wichtig zu durchschauen, auf was für abwegige Argumente unser Intellekt verfällt, wenn es darum geht, an alten Gewohnheiten festzuhalten, selbst wenn diese als giftig, schädlich und gefährlich erkannt sind.
Lassen Sie es uns also einmal ganz extrem versuchen.
»Ich kaufe Kinderpornos beim Kiosk meines Vertrauens, da weiß ich, wo sie herkommen.«
»Keine Kinderpornos? Ja, was soll man denn dann überhaupt noch schauen?«
»Eigentlich sehe ich ja keine Kinderpornos, aber wenn meine Oma mir welche anbietet, die sie mit viel Liebe gekauft hat, dann kann ich ja schlecht nein sagen.«
»So gar keine Kinderpornos, also, das kann ja nicht gesund sein.«
»Also ich kaufe ja nur ganz selten Kinderpornos.«
»Wenn jetzt plötzlich alle aufhören, Kinderpornos zu schauen, was machen wir denn dann mit all den Kindern?«
»Ohne Kinderpornos hätte sich unser Gehirn gar nicht so entwickelt.«
»Und was ist mit den ganzen Arbeitsplätzen in der Kinderpornoindustrie?«
»Ich sehe nur Pornos von glücklichen Kindern.«
»Wenn Gott nicht gewollt hätte, dass wir keine Kinderpornos sehen, warum hat er die Kinder dann nackt gemacht?«
»Esoterische Rationalisierungen«
Es gibt viele Gründe, warum sich Menschen gegen den Umstieg auf Gesundheit und auf vegane Ernährung wehren. Meist ist es wohl einfach die Mischung aus geistiger Trägheit, die gesundheitlichen, humanitären, ökologischen und tierethischen Gründe nachzuvollziehen, wie auch die eingefahrenen Gewohnheiten und Gelüste aufzugeben. Eine in unseren Augen besonders peinliche Variante sind die »esoterischen Rationalisierungen«. Verglichen damit, wirken Bekenntnisse wie »Ich bin zu bequem, mich umzustellen« oder »Mir ist das alles zu viel Aufwand« geradezu sympathisch ehrlich.
Wer dagegen nach Mottos wie »Ich brauche Fleisch für mein Basis-Chakra«, »Mein Engel hat mir mitgeteilt, die Tiere gäben ihr Fleisch gern für uns«, »Nach der Polarität muss es auch Fleischesser geben« und so weiter »argumentiert«, rationalisiert in Wahrheit nur seine Unfähig- und Unwilligkeit, auf Käse, Milchschokolade oder Fleisch zu verzichten, mit pseudoesoterischen Begründungen. Diese Unehrlichkeit wird ihn wohl ebenso schädigen und auf seinem Entwicklungsweg behindern wie die krankmachende Kost selbst.
Seine Unfähigkeit einzugestehen oder selbst eine Position zu vertreten wie »Hungernde Menschen und schon gar Tiere sind mir scheißegal« ist zwar unsympathisch, aber immerhin noch ehrlicher, wenn eben auch sehr zynisch. Die pseudoesoterische Argumentation ist dagegen bloß verlogen und dann auch noch spirituell verbrämt. Wer solch einen Engel als Kanal hat, möge diesen doch einmal einladen in einen Schlachthof und sich gemeinsam mit ihm die Tiere ansehen, die da gerade gern ihr Leben für ihn geben.
Das lässt sich also ganz einfach testen. Wer meint, Schlachttiere gäben ihr Leben gern für uns, möge diese Ansicht nach jenem Besuch im Großschlachthof oder nach der Lektüre von Jonathan Safran Foers Buch Tiere essenxvi noch einmal überprüfen. Auch im Internet kann man Berichte aus dem Schlachthof nachlesen. Zum Beispiel den bekannten von der deutschen Veterinärstudentin Christiane Haupt aus ihrem dreiwöchigen Praktikum im Schlachtof: »Um eines kleinen Bissens Fleisches willen«xvii. Obwohl dieser den ganz normalen Alltag in einem ganz normalen Schlachthof ohne illegale Praktiken aufzeigt, erschüttert dieser Text viele Leser zutiefst.
Wer dagegen Probleme mit seinem Basis-Chakra hat, braucht nur sein Leben anzupacken, die Füße auf den Boden zu bringen und einer richtigen Arbeit nachzugehen, die ihn fordert und fördert, dann wird er sofort Besserung erleben.
Wer meint, er müsse aus Gründen der Polarität weiter Tierprotein essen, müsste diese Haltung dann konsequenterweise auch auf alle möglichen anderen Kanzerogene, Gift- und Schadstoffe ausdehnen, also nicht nur Sonnenstrahlung, sondern auch mal Röntgenstrahlung. Das wäre ein ebenso absichtliches wie dummes Missverstehen des Polaritätsgesetzes.
Rationalisierungen entlarven sich rasch, wenn man zur Eigenehrlichkeit zurückfindet, aber weniges ist schwerer, besonders für Menschen, die sich weiter fortgeschritten auf dem spirituellen Pfad wähnen, als sie möglicherweise sind.
Für Rationalisierungen gibt es nur eine Therapie: allen Mut zusammennehmen und sie durchschauen lernen. Jene kugelrunde Person, die kaum noch aus den verquollenen Äuglein schauen kann und sich vormacht, sie würde mit Aufgabe ihrer Käse- und Schokoladendiät die Erdung und alle Wurzeln verlieren, ist natürlich – für alle anderen – leicht durchschaubar. Aber sie selbst kann ihr Spiel nicht so leicht erkennen. Sie erklärt sich für so sensibel, dass die Aufgabe ihres dicken Fells ihr selbst geradezu gefährlich vorkommt. So futtert sie lieber weiter ihre Dickmacher aus der besonders gefährlichen Milchabteilung, suggeriert anderen Naiven, sie sei so sensitiv, dass sie diese Speckschwarte brauche, und glaubt das mit der Zeit selbst.
Solche Menschen finden manchmal sogar die Argumente für eine vegane Lebensweise überzeugend und stimmig, allein für sich machen sie eine Ausnahme, die aber natürlich lediglich ihrer hohen Sensitivität oder Einweihungsstufe geschuldet ist. Ein altbekanntes Phänomen. Der Spruch »Quod licet Iovi, non licet bovi« – »Was dem Jupiter geziemt, geziemt dem Ochsen (noch lange) nicht« – stammt von den alten Römern. Der eigene Egotrip wird hier in peinlicher Weise überhöht, um sich nicht ändern und seinen Schutzpanzer und seine Gelüste nicht aufgeben zu müssen. Dabei stellt sich auch bei solchen Rationalisierern nach gelungener Therapie praktisch ausnahmslos heraus, wie glücklich sie sind, wenn sie wieder in Form kommen und ihr Leben statt ihr Körper rund wird.
Noch eins drauf in dieser Richtung setzen diejenigen, die sich zum Channel-Medium erklären und ihre eigenen Rationalisierungen dann gleichsam noch mit einem Heiligenschein von oben verzieren lassen. So kann man sich natürlich jedwede(n) Geistführer(in) zusammenschustern, die genau die eigene – wie verquer auch immer geartete – Krankmacherdiät channelt und alle für sich selbst in Anspruch genommenen Ausreden und Ausnahmen absegnet. Gegen den höchsten Segen von oben – man kann da ja bis auf Erzengel oder Buddha selbst zurückgreifen – sind natürlich auch hochsignifikante wissenschaftliche Studien machtlos.
So sind die peinlichsten Ausreden und Rationalisierungen auch zugleich die am schwersten zu entkräftenden. Doch natürlich sind solche »falschen Propheten« kein Beweis dafür, dass es nicht auch echte gibt. Doch wenn die »Eingebungen« Mensch, Tier und Umwelt schaden und der eigenen Bequemlichkeit nützen, ist eine kritische Haltung sicher hilfreich. Die Existenz von Falschgeld widerlegt eben gerade nicht die von echtem Geld, sondern setzt dieses im Gegenteil voraus. Solche Falschmeldungen aus dem Jenseits oder von ganz oben sind einfach die Stimme des inneren Schweinehundes, der die eigenen Rationalisierungen mit dem Glorienschein höchsten Wissens verbrämt. Oder man könnte auch sagen, der innere Schweinehund habe sich eine besonders raffinierte Verkleidung zugelegt.
Manchmal steckt auch noch eine ebenso einfache wie perfide Methode dahinter, sich ans Geld Leichtgläubiger heranzumachen. In der peinlichsten Variante sind beide Ansätze verbunden. Da keiner zu einem selbst zur Beratung kommen würde, gibt man vor, Stimme eines ganz hohen Wesens zu sein, und benutzt diese zugleich auch noch, um die eigenen Rationalisierungen abzusegnen und sie letztlich selbst zu glauben. Diese doppelte Bindung an zwei vermeintliche Vorteile, die in Wirklichkeit Hindernisse auf dem Entwicklungsweg sind, ist naturgemäß besonders schwer zu durchbrechen. Betroffene müssten sich dann andere Ausreden und einen anderen wirklichen Beruf suchen oder sogar mit ihrer Eigenentwicklung ernst machen und ihr Schattenspiel auf beiden Ebenen aufgeben.
Ein typischer Hinweis auf solch unerlöste Tendenzen sind einerseits leicht durchschaubare Falschmeldungen, die aller Logik widersprechen, und dann noch Indizien wie die oft in geradezu typisch schwülstiger Art vorgetragene Rede, die durch falsche Betonungen und seltsamen Sprachrhythmus dem Ganzen eine besondere Note verschaffen soll. Dem inneren Schweinehund ist auch in der typischen Eso-Szene wirklich nichts zu schäbig und nichts zu heilig, um eingefahrene Gewohnheiten gegen alle Logik zu verteidigen. Da kaum eine Chance besteht, solch doppelt profitierende »Medien« davon zu überzeugen, wie sehr sie ihrem Schatten aufgesessen sind, richtet sich dieser Abschnitt auch eher an deren Opfer. Wenn eine höhere Stimme von dem abrät, was moderne Wissenschaft und alle großen Religionen empfehlen, wie pflanzlich-vollwertige Kost, ist höchste Vorsicht geboten, besonders wenn diese von Engelszungen gesäuselt oder von Engelsflügelschlag begleitet wird. Ein offensichtlicher Hinweis und Grund für Verdachtsmomente ist natürlich, wenn ein sogenanntes Medium offenbar völlig außer Form ist, erheblich krank oder selbst süchtig – egal ob nach Süßigkeiten, Nikotin, Alkohol oder was für Drogen auch immer.
Nichts wird die Chance auf ein Überleben auf der Erde so steigern wie der Schritt zur vegetarischen Ernährung.
Albert Einstein
Generelle ethische Probleme
Tierethik ist im Übrigen eine Form der Ethik, und die hat es grundsätzlich mit schwierigen Problemen zu tun. Das ist bei der Tierethik nicht anders, und sie insgesamt zu verwerfen, weil man nicht gleich überall passende Antworten findet, ist absurd. Es passiert aber auch fast nur im Bereich der Tierethik, wo man vor lauter komplizierten Debatten oft kein Ende sieht. Dabei sind die großen und wichtigen Probleme einfach und leicht zu lösen. Die Mehrheit der Bevölkerung ist gegen Massen-Tier-Zucht-Häuser und die daraus entstehenden Produkte und Probleme. Massen-Tier-Zucht ist moralisch-ethisch genauso unvertretbar wie vom medizinischen, ökologischen und humanitären Gesichtspunkt.
Dass einiges nicht einfach zu lösen ist, darf uns nicht daran hindern, die großen Probleme in unser aller Interesse anzupacken. Das Problem der Tiere ist da nur eines von vielen. Was die allgemeine Ethik angeht, gibt es so schwierige Fragen, dass etwa die Frage der Legalisierung der Sterbehilfe schon in europäischen Ländern nicht einheitlich lösbar ist, wie völlig andere Gesetzeslagen in Holland und der Schweiz einerseits und Deutschland sowie Österreich andererseits zeigen. Was in den ersteren beiden Ländern inzwischen als normal gilt, würde einen deutschen oder österreichischen Arzt ins Gefängnis bringen. Ähnlich kontrovers war lange die Abtreibung geregelt. Extrem schwierig sind ethische Fragen auch bezüglich der modernen Reproduktionstechniken zu klären, aber auch der Umgang mit künstlicher Befruchtung, Leihmutterschaft oder den eingefrorenen »todkranken Leichen« in den USA. Schwierigste Abklärungen im Hinblick auf Menschenrechte lassen uns auch nicht gleich das ganze Konzept der Menschenrechte infrage stellen. Sich an Tierrechte zu gewöhnen braucht offenbar Zeit, so wie es Zeit brauchte, erst Frauen und dann Farbigen eine Seele zuzugestehen. Und es ist noch nicht lange her, dass Yoko Ono sagen musste: »Woman Is the Nigger of the World.« Das zu ändern braucht nicht nur Zeit, sondern auch viel Energie – nehmen wir uns die Energie und verschwenden nicht mehr so viel Zeit bei den großen eindeutigen Problemen wie der Massen-Tier-Zucht.vi
Wer, wenn nicht wir?
Wann, wenn nicht jetzt?
i Von Ruediger Dahlke angebotene Ernährungsausbildungsgänge finden Sie hier: www.dahlke.at/aus/ausbildungen/ausbildungsuebersicht.php. Außerdem gibt es viele weitere Schulen, die Ausbildungen anbieten, welche auch die modernen Erkenntnisse über Kuhmilch und Fleisch mit einfließen lassen.
ii Mortality among the Baffin Inuit in the mid-80s., Arctic Med Res. April 1992, www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/1622532 und Health expectancy in Greenland. Scand J Public Health. März 2001, www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/11355717
iii Interview mit Alexander Dargatz, Arzt, Bodybuilder und Veganer, www.swissveg.ch/node/232.
iv Der Spiegel 45, 1988, www.spiegel.de/spiegel/print/d-13530460.html.
v Siehe dazu auch Prof. Dr. med. J. Bauer: Prinzip Menschlichkeit. Warum wir von Natur aus kooperieren, Heyne Verlag, München 2008.
vi Weitere Infos zu diesen Fragen im Taschenbuch von H. F. Kaplan: Leichenschmaus. Ethische Gründe für eine vegetarische Ernährung, Rowohlt Verlag, Reinbek 1988; siehe auch www.tierrechte-kaplan.org.
vii Artikel zum fünfzigsten Todestag von Magnus Schwantje: www.swissveg.ch/magnus_schwantje. Alle Schriften von ihm sind kostenlos in diesem Internetarchiv nachzulesen: www.magnus-schwantje-archiv.de.
viii M. Schwantje: Gesammelte Werke, Band 1 (Vegetarismus), F. Hirthammer Verlag, München 1976, S. 64.
ix Vgl. www.uni-giessen.de/tierschutz/4132.htm.
x Vgl. www.medicalnewstoday.com/articles/215347.php.
xi Vgl. Vegi-Info 2003/2, Swissveg.
xii Vgl. »Shell-shocked« crabs can feel pain, www.sciencedaily.com/releases/2013/01/130116195336.htm.
xiii Das erstaunliche Gefühlsleben der Fische, Vegi-Info 2008/1, überarbeitete Online-Version: www.swissveg.ch/node/95.
xiv Der Slogan »Schweizer Fleisch – alles andere ist Beilage« wurde von der Fleischlobbyorganisation Proviande verbreitet. Zuständig dafür war die damalige Marketingleiterin Regula Kennel, die gleichzeitig (!) im obersten Gesundheitsgremium der Schweizer Regierung saß, der Eidgenössischen Ernährungskommission.
xv Dagegen gibt es allerdings all die gesundheitlichen Bedenken, die sich gegen Weizen richten, wie ausführlich im Buch Geheimnis der Lebensenergie dargestellt.
xvi J. S. Foer: Tiere essen, Kiepenheuer & Witsch, Köln 22010.
xvii Vgl. www.swissveg.ch/node/550.